Wer aber sein Vermögen zu schnell verbraucht und dadurch sehenden Auges die Sozialhilfebedürftigkeit herbeiführt, erhält keine Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Eine 83-jährige Rentnerin hatte in den letzten vier Jahren vor dem Antrag beim Sozialamt ein sechsstelliges Vermögen verbraucht.

Der Sachverhalt

Wie aus dem Urteil des LSG Stuttgart (Az. L 2 SO 2489/14) hervorgeht, hatte die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann ein Reformhaus betrieben. Fürs Alter hatte sie privat vorgesorgt. Ihre gesetzliche Rente beläuft sich nur auf gut 250 Euro im Monat. Nach der Trennung von ihrem Ehemann verzichtete sie auf Trennungsunterhalt und lebte fortan vom Ersparten

Monatlich entnahm sie mindestens 2200 Euro. Anfang 2006 betrug das Vermögen der Frau noch über 100.000 Euro, Ende August 2009 war es aufgebraucht. Ihren Antrag auf Grundsicherung im Alter lehnte das zuständige Sozialamt ab. Die Frau habe die Hilfebedürftigkeit selbst herbeigeführt und dabei vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig gehandelt. Deshalb sei sie von der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ausgeschlossen.

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 2 SO 2489/14)

Diese Einschätzung teilte das Landessozialgericht und bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Reutlingen. Die Klägerin hätte ihren Lebensstandard den schwindenden Reserven anpassen müssen, befanden die Richter. Seine Rücklagen zur Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards innerhalb weniger Jahre aufzubrauchen, stelle keinen verantwortungsvollen Umgang mit dem eigenen Vermögen dar. Dass ihr Verhalten zwingend zur Sozialhilfebedürftigkeit führen würde, habe die Rentnerin als ehemalige Unternehmerin auch ohne Weiteres erkennen können und damit sozialwidrig gehandelt.

Der amtliche Leitsatz

Wer bei nur sehr geringen eigenen Einnahmen (hier monatliche Altersrente in Höhe von ca. 250 EUR) für seine laufenden sonstigen Lebenshaltungskosten (ohne Kosten der Unterkunft) den viereinhalbfachen sozialhilferechtlichen Regelbedarf aufwendet, obwohl er ohne weiteres hätte erkennen können, dass unter diesen Umständen das noch vorhandene Vermögen innerhalb weniger Jahre aufgebraucht ist, fällt unter den Ausschlusstatbestand nach § 41 Abs. 4 SGB XII für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Aus dem Urteil des Landessozialgerichts

[...] Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (siehe hierzu § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X), wenn also die oder der Handelnde nicht beachtet hat, was unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles jedem einleuchten muss, wenn also einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden, dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen ("subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab", ständige Rechtsprechung, siehe BSG Urteil vom 8. Februar 2001 - B 11 AL 21/00 R- in SozR 3-1300 § 45 Nr. 45, juris Rdnr. 23; Urteil vom 5. September 2006 - B 7a AL 14/05 R - in SozR 4-4300 § 144 Nr. 15, juris Rdnr. 24; siehe auch Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 22. November 2006 - 2 B 47/06 -) [...]

Die Klägerin hat zur Überzeugung des Senates zumindest grob fahrlässig ihre Hilfebedürftigkeit zu dem hier streitigen Zeitpunkt herbeigeführt. Sie hat die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.

Leistung muss zurückgezahlt werden - Verpflichtung geht auch auf die Erben über

Die 83-Jährige steht nach der Entscheidung des Landessozialgerichts allerdings nicht mit leeren Händen da. Statt der Grundsicherungsleistungen erhält sie vom Sozialamt Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese Leistung fällt ebenso hoch aus wie die Grundsicherung, sie muss aber, weil die Anspruchsvoraussetzungen vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt wurden, zurückgezahlt werden. Diese Verpflichtung geht nach dem Tod des Hilfebedürftigen auch auf die Erben über.

Gericht:
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 15.10.2014 - L 2 SO 2489/14

LSG Ba-Wü
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