Der Kläger arbeitete bis 2005 in Deutschland, bevor er nach Griechenland übersiedelte und dort bis 2012 beschäftigt war. Von dort kehrte er nach Deutschland zurück und beantragte zwei Tage später Arbeitslosengeld. Die Arbeitsagentur lehnte ab. Zu Recht entschied das LSG München.

Wie das Bayerische Landessozialgericht (Az. L 9 AL 198/13 B)  mitteilt, genießen Unionsbürger Freizügigkeit in allen Europäischen Staaten und zwar auch, wenn sie arbeitslos sind. Wer in Deutschland Arbeitslosengeld beansprucht darf sich deshalb auch auf Beschäftigungszeiten in anderen Unionsstaaten berufen. Dieser elementare Grundsatz des europäischen Rechts gilt aber nicht ohne Einschränkung.

Der Sachverhalt

Im verhandelten Fall des Landessozialgerichts (Az. L 9 AL 198/13 B) arbeitete der Kläger von 1990 bis 2005 als Sachbearbeiter einer Krankenkasse in Deutschland. Danach siedelte er nach Rhodos über, wo er bis 02.05.2012 beschäftigt war. Von dort kehrte er nach Deutschland zurück und beantragte zwei Tage später Arbeitslosengeld.

Arbeitslosengeldantrag wurde abgelehnt

Die Arbeitsagentur lehnte ab: Arbeitslosengeld erfordere eine Vorbeschäftigung in Deutschland von mindestens 12 Monaten Dauer. Diese müssten in einem Rahmen von zwei Jahren vor der Arbeitslosigkeit liegen. Daran fehle es, weil die griechische Beschäftigung nicht anzurechnen sei. Dagegen wandte sich der Kläger und verfolgte seinen Arbeitslosengeld-Anspruch vor Gericht weiter.

Die Entscheidung

Das Bayerische Landessozialgericht hat bestätigt, dass die konkreten Beschäftigungszeiten in Griechenland keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld in Deutschland begründen. Nach dem Freizügigkeitsgrundsatz seien zwar Vorbeschäftigungszeiten in allen Europäischen Staaten zu berücksichtigen. Das gelte aber in erster Linie für Grenzgänger sowie für Personen, die vor der Arbeitslosigkeit wenigstens einen Tag in Deutschland gearbeitet hatten. Im Falle des Klägers aber ordne das Europäische Recht der Arbeitssuche im letzten Beschäftigungsstaat einen Vorrang zu. Mangels aktuellen Bezugs zum deutschen Arbeitsmarkt sei Arbeitslosengeld nicht zu bewilligen.

Aus dem Beschluss: [...] Nach § 136 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III setzt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld voraus, dass ein Arbeitnehmer arbeitslos ist (Nr. 1), sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos meldet (Nr. 2) und die Anwartschaftszeit erfüllt. Nach § 142 Abs. 1 SGB III erfüllt die Anwartschaftszeit, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Nach § 143 Abs. 1 SGB III beträgt die Rahmenfrist grundsätzlich 2 Jahre. Gemäß Art. 61 Abs. 1 VO 883/2004 muss die Beklagte grundsätzlich Versicherungszeiten berücksichtigen, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates begründet wurden. Das Gebot der Zusammenrechnung relevanter Zeiten gehört zu den elementaren Prinzipien des Koordinierungsrechts und ist deshalb primärrechtlich in Art. 48 lit. a Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelt. Nach Art. 61 Abs. 2 VO 883/2004 gilt das Gebot der Zusammenrechnung bei denjenigen, die nicht Grenzgänger im Sinne von Art. 65 Abs. 5 Buchstabe a VO 883/2004 sind, nur unter der Voraussetzung, dass die betreffende Person unmittelbar zuvor nach den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen beantragt werden, Versicherungszeiten zurückgelegt haben. Art. 61 Abs. 2 VO 883/2004 beinhaltet eine Einschränkung des Prinzips der Zusammenrechnung relevanter Zeiten (vgl. Fuchs in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 6. Auflage, Teil 2, Art. 61, Rz.: 3). Durch diese Vorschrift soll primär die Arbeitssuche im Mitgliedstaat der letzten Beschäftigung gefördert werden. Nichtgrenzgänger, also Personen, die ihren Lebensmittelpunkt an den Arbeitsort beziehungsweise in den Beschäftigungsstaat verlagert hatten, müssen bei Rückumzug in den früheren Staat vor Anerkennung der im Beschäftigungsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten zunächst eine Versicherungszeit erfüllen (vergleiche Geiger, info also, 2013, S. 147). Insoweit wäre eine Versicherungszeit in Deutschland von einem Tag ausreichend gewesen. [...]

Die rechtskräftige Entscheidung war im Prozesskostenhilfeverfahren ergangen und somit allein auf Grund summarischer Prüfung. Sie zeigt gleichwohl, in welchen Fällen das Europäische Recht ausländische Vor-Beschäftigungszeiten für den Arbeitslosengeld-Bezug ausreichen lässt - und wann nicht. Der klarstellenden Entscheidung kommt vor dem Hintergrund der europäischen Arbeits-Migration erhebliche Bedeutung zu.

Gericht:
Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11.12.2013 - L 9 AL 198/13 B

Bayer. LSG, PM Nr. 3/2014
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