Nach Urteil des SG Schleswig kann ein Untersuchungshäftling zum leistungsberechtigten Personenkreis für Leistungen nach dem 3. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) (Hilfe zum Lebensunterhalt) gehören. Allerdings verringert sich der auszuzahlende Betrag um diejenigen Sozialhilfeanteile, die die Haftanstalt erbringt.

Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline mitteilt, hat nach Urteil des Sozialgerichts Schleswig ein Untersuchungsgefangener ohne jegliches Vermögen, dessen gesamtes Einkommen bei Einlieferung in die Haftanstalt aus dem Taschengeld in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe bestand, weiter Anspruch auf diese staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt.

Allerdings verringert sich der auszuzahlende Betrag um diejenigen Sozialhilfeanteile, die die Haftanstalt erbringt. Wobei die notwendige Einzelfallbemessung nicht per pauschaler Schätzung möglich ist, sondern nur mittels der konkreten Einzelpositionen einer zwar aufwändigen, aber unumgänglichen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe.

Der Sachverhalt

Der Betroffene war in dem Haus einer Eingliederungshilfe mit einem Sicherungshaftbefehl vorläufig festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt Flensburg gebracht worden. Dort stellte er beim örtlichen Sozialhilfeträger einen Antrag auf "Taschengeld". Er habe keinerlei Vermögen, zuletzt nur von der Eingliederungshilfe gelebt und sei als deutscher Staatsangehöriger in Untersuchungshaft gekommen. Hier sollte er aber nur 36,40 Euro pro Monat auf die Hand erhalten - ganze 10 Prozent des Eckregelsatzes.

Die Entscheidung

Das sei zu wenig, entschied das Gericht. Der geringe Barbetrag decke das soziokulturelle Existenzminimum des Untersuchungshäftlings nicht ab. Zwar sei das existenziell notwendige Minimum durch den Gefängnisbetrieb abgedeckt. Den Untersuchungshäftlingen stände eine kostenfreie Heilfürsorge zur Verfügung. Und manche Aufwendungen würden in der Untersuchungshaft im Allgemeinen nicht in dem Umfang wahrgenommen, wie bei Bedürftigen außerhalb der Haftanstalt. Und da der Mann zuvor in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe lebte, fielen auch keine weiter laufenden Kosten für eine Wohnung an.

Trotzdem entzieht es sich jeglicher Vorstellungskraft, wie etwa der gesamte Telekommunikations- und Nachrichtenübermittlungsbedarf des Häftlings mit diesem Minimalbetrag abgedeckt werden soll - ganz abgesehen von der Befriedigung weiterer Zusatzbedürfnisse des täglichen Lebens. Zumal beim Einzug in eine Haftanstalt auch meist die Anschaffung kleinerer, persönlicher Gegenstände ansteht.

Nach dem Untersuchungsvollzugsgesetz des Landes Schleswig-Holstein wird im übrigen lediglich für die Hauptmahlzeiten gesorgt. Zwischenmahlzeiten beispielsweise stellt die Haftanstalt nicht. Einen verlässlichen Anhaltspunkt für die Bewertung der im Gefängnis nicht gedeckten Bedürfnisse bietet da nach Auffassung der Richter nur eine Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Das Gericht rechnete tatsächlich alle einzelnen Posten des Leistungsangebots laut dem Sozialgesetzbuch durch und kam letztendlich zu dem Schluss, dass dem Mann eine knapp doppelt so hohe staatliche Hilfe für den Lebensunterhalt hinter Gittern zu gewähren sei - nämlich 62,34 Euro pro Monat.

Die Bedarfsbemessung des Untersuchungshäftlings erfolgt nach dem SGB XII mit Hilfe der Einzelpositionen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sowie dem Wägungsschema des Statistischen Bundesamtes.

Gericht:
Sozialgericht Schleswig, Urteil vom 19.04.2013 - S 12 SO 176/11

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