Dass eine Bankkauffrau bei einem Bankraub lediglich mit einer ungeladenen Schreckschusspistole bedroht wurde, stehe der Anerkennung einer Schädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz nicht entgegen, so das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg.

Die Klägerin sei Opfer eines tätlichen Angriffs geworden, begründeten die Stuttgarter Richter ihr heute verkündetes Grundsatzurteil und bestätigten damit weitgehend die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn.

Der Sachverhalt

Die 27-jährige Bankangestellte arbeitete gerade zusammen mit einem Kollegen am Kundenschalter, als der mit Schal und dunkler Sonnenbrille maskierte Bankräuber die Filiale einer Heilbronner Genossenschaftsbank betrat. Mit den Worten "Geld her, das ist kein Spaß!" forderte der zwischenzeitlich zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilte Mann die Aushändigung des Kassenbestands. Dabei bedrohte er die Klägerin und ihren Kollegen mit einer täuschend echt aussehenden ungeladenen Schreckschusspistole.

Da sich der automatische Kassentresor nur mit Zeitverzögerung öffnen ließ, dauerte der Überfall über fünf Minuten, bevor der Bankräuber die Filiale mit seiner Beute von knapp 24.000 € wieder verließ. Nach dem Überfall musste die Klägerin wegen psychischer Beschwerden durch einen Psychologen behandelt werden. Seit dem Banküberfall leidet die Klägerin unter psychischen Problemen und beantragte deshalb eine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz.

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg

Die Klägerin sei Opfer eines tätlichen Angriffs geworden, begründeten die Stuttgarter Richter ihr heute verkündetes Grundsatzurteil und bestätigten damit weitgehend die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn. Ein solcher Angriff erfordere zwar regelmäßig ein gewaltsames, handgreifliches Vorgehen des Täters; ein mit einer Schusswaffenattrappe bedrohtes Opfer sei aber nicht minder schutzwürdig.

Das beklagte Land Baden-Württemberg hatte demgegenüber vertreten, ein tätlicher Angriff könne nur bei einer Bedrohung mit einer scharf geladenen und entsicherten Schusswaffe bejaht werden. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Rechtsgrundlagen:

§ 1 Opferentschädigungsgesetz - Anspruch auf Versorgung

(1) Wer ... infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorschrift wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds gehandelt hat.

(2) Einem tätlichen Angriff im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich

1. die vorsätzliche Beibringung von Gift,

2. die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen.

Gericht:
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.12.2012 - L 6 VG 2210/12

Quelle: LSG Ba-Wü
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