Wer wiederholt Pflichten zum Nachweis von Eigenbemühungen zur Erlangung von Arbeit verletzt und eine Vollzeitbeschäftigung ausschlägt, ohne dass ein wichtiger Grund vorliegt, muss mit der Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 100 % im Grundsicherungsbezug rechnen.

Der Sachverhalt

Der 52 jährige Hilfebedürftige bezog seit 2005 Grundsicherungsleistungen. Zuletzt hatte die Arbeitsverwaltung das Arbeitslosengeld II des Hilfebedürftigen von April bis Juni 2011 um 100 v.H. abgesenkt. Mit anschließend erneuter Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt verpflichtete die Arbeitsverwaltung den Hilfebedürftigen unter Belehrung über die Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung zu Eigenbemühungen um ein Arbeitsverhältnis.

In der Folge schlug die Arbeitsverwaltung dem Hilfebedürftigen eine Vollzeitbeschäftigung als Schreiner/Tischler bei einer Personaldienstleistungsgesellschaft vor. Im Vorstellungsgespräch bat der Hilfebedürftige seinen Angaben zufolge im Hinblick auf eine erschwerte Erreichbarkeit des angebotenen Arbeitsplatzes mit öffentlichen Verkehrsmitteln und weitere laufende Bewerbungen um Bedenkzeit. Daraufhin senkte die Arbeitsverwaltung sein Arbeitslosengeld II für den Zeitraum von Mai bis Juli 2012 um 100 v.H. ab. Gleichzeitig bot die Arbeitsverwaltung dem Hilfebedürftigen ergänzende Sachleistungen in Form von Lebensmittelgutscheinen an, die dieser auch abrief.

Die Entscheidung

Das Sozialgericht hat den auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Antrag des Hilfebedürftigen gegen die Absenkung des Arbeitslosengelds abgelehnt. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt:

Mit seiner Bitte um Bedenkzeit habe der Hilfebedürftige der Sache nach das auf den sofortigen Beginn eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Arbeitsangebot ausgeschlagen, ohne dass ihm dafür ein wichtiger Grund zur Seite gestanden habe. Damit habe er wiederholt Pflichten zum Nachweis von Eigenbemühungen zur Erlangung von Arbeit verletzt. Von erschwerter Erreichbarkeit der dem Hilfebedürftigen angebotenen Arbeitsstelle könne nicht gesprochen werden. Laut aktueller KVV-Fahrplanauskunft betrage die komplette Anreisezeit von der Wohnung des Hilfebedürftigen zum angebotenen Arbeitsplatz - einschließlich Fußwegen - je nach Fahrzeit zwischen 60 und 69 Minuten.

Keine erschwerte Erreichbarkeit zum Arbeitsplatz

Dabei bestehe ein Halbstundentakt. Damit könne keine unverhältnismäßig lange Pendelzeit zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angenommen werden, weil der Hilfebedürftige insgesamt für Hin- und Rückweg nicht mehr - sondern deutlich weniger - als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden arbeitstäglich - hier: Vollzeit bei 35 Wochenstunden - benötige. Auch seine weitere Einlassung, er habe das Ergebnis anderer Bewerbungen abwarten wollen, rechtfertige keine andere Entscheidung. Zum einen sei der Hilfebedürftige bereits langzeitarbeitslos und zum anderen stehe es ihm jederzeit frei, bei einem günstigeren Arbeitsangebot dieses anzunehmen und im Gegenzug ein bis dahin inngehabtes Beschäftigungsverhältnis zu kündigen.

Durch die angebotenen Lebensmittelgutscheine - eine nach dem Gesetz statthafte ergänzende Sachleistung - sei der notwendige Bedarf des Hilfebedürftigen vorübergehend für drei Monate gewährleistet.

Themenindex:
Hartz IV, SGB II, ALG II

Gericht:
Sozialgericht Stuttgart, Beschluss vom 04.06.2012 - S 4 AS 1956/12 ER

Quelle: SG Stuttgart
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