OEG - Stellt der an einem Patienten vorgenommene ärztliche Eingriff einen strafbaren tätlichen Angriff dar, so handelt es sich um eine Gewalttat im Sinne des Opferentschädigungsgesetzes.

Ohne Belang ist dabei, ob dem Mediziner dabei ein Kunstfehler unterlaufen ist oder nicht. Für eine staatliche Opferentschädigung kommt es einzig und allein darauf an, dass die am Patienten vorgenommenen Handlungen objektiv gegen sein Wohl gerichtet waren - der Arzt also beispielsweise die gesundheitlichen Belange des Patienten missachtet und nur auf den eigenen finanziellen Vorteil geachtet hat.

Der Sachverhalt

Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline (www.anwaltshotline.de) berichtet, hatte eine Frau nach einer schwer misslungenen Schönheitsoperation Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz beantragt. Die inzwischen 56-jährige litt schon vor dem Eingriff an erheblichem Übergewicht, Herzschwäche, Bluthochdruck, Lungenschwäche, insulinpflichtiger Zuckerkrankheit und einer Darmerkrankung. Trotzdem führte ein Gynäkologe zunächst eine erste Fettabsaugung durch und korrigierte einige Monate später eine Fettschürze durch weiteres Absaugen. Was zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes führte und eine umfangreiche stationäre Behandlung notwendig machte. Weil auch andere Patienten in ähnlicher Weise betroffen worden waren, wurde der Mediziner wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Entscheidung

Die Frau aber verlangte jetzt eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz. Dem stimmten Deutschlands oberste Sozialrichter zu. "Zwar gelten ärztliche Kunstfehler als sorgfaltswidrige Verstöße gegen die Regel der ärztlichen Kunst, die normalerweise lediglich eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung begründen", erklärt Rechtsanwalt Kai Steinle (telefonische Rechtsberatung unter 0900/1875000-0 für 1,99 Euro pro Minute). Doch in diesem Fall hatte der Arzt seine Patientin wider besseres Wissens zuvor nicht über die damit verbundenen Risiken aufgeklärt. Sonst hätte sie nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zugestimmt. Wodurch ihm aber, wie er selbst zugab, das nicht unerhebliche Honorar entgangen wäre.

Zwar stellen ärztliche Eingriffe immer eine in der Natur der Sache liegende Körperverletzung dar. Doch gewinnen sie ihre Rechtmäßigkeit grundsätzlich durch die Patienten-Einwilligung. Die aber hatte sich der Mediziner in diesem Fall nur erschlichen. Damit mutierte der Arzt zum Gewalttäter, der nur noch die eigenen finanziellen Belange im Blick hatte. Und machte die nicht ihres eigenen Wohls wegen um die körperliche Unversehrtheit gebrachte Patientin zum Gewaltopfer.

Gericht:
BSG, 29.04.2010 - B 9 VG 1/09 R     

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