Eine Familie buchte eine Pauschalreise in die Türkei, um dort einen zweiwöchigen Badeurlaub zu verbringen. Durch eine defekte Kläranlage gelangten über einen Zufluss Fäkalien ins Meer. Die Familie erkrankte an einem schweren Brechdurchfall. Sie machen Ansprüche auf Reisepreisminderung und Schmerzensgeld geltend.

Der Sachverhalt

Der Kläger buchte für sich und seine Famile eine zweiwöchige Pauschalreise in die Türkei. Das Hotel hatte einen abgetrennten und bewachten Hotelstrand. Um hierher zu gelangen, erhielt man von dem Hotel ein Armband, mit welchem man den hoteleigenen Strandabschnitt betreten konnte. Der gesamte Urlaub war als reiner Badeurlaub ausgerichtet.

Die örtliche Kläranlage wies seit geraumer Zeit einen Defekt auf. Die Beklagte erfuhr von dem Defekt einen Tag nach Ankunft. 200m vom Hotel entfernt führte vom Landesinneren ein Zufluss direkt ins Meer. Es wurden Entsorgungsfahrzeuge und Schlauchwagen eingesetzt, die versuchten, Fäkalien abzupumpen, die im Meer schwammen.

Während des Aufenthalts der Kläger am Urlaubsort erkrankten viele Hotelgäste an einem schweren Brechdurchfall. Der aufgesuchte Hotelarzt wies die gesamte Familie des Klägers in ein Krankenhaus ein. Warnungen durch die Reiseleitung vor dem Baden im Meer wurden zu keiner Zeit ausgesprochen. Einige Tage später wurde von der Reiseleitung ein Schreiben ausgelegt, wonach aufgrund des Defekts der örtlichen Kläranlage geklärte Abwässer ins Meer gelangten, aber keine Gesundheitsgefährdung bestünde, sämtliche Ergebnisse der analysierten Meerwasserproben lägen innerhalb der Normalwerte.

Reiseveranstalter sieht keine Verantwortlichkeit

Für die Familie waren die restlichen Urlaubstage wegen der Erkrankung vollkommen wertlos. Sie wollte vom Veranstalter die restlichen, unnützen Tage erstattet bekommen und verlangte Schmerzensgeld. Die Beklagte ist der Ansicht, ein sog. Umweltrisiko könne ihr nicht angelastet werden. Ein Reisemangel liege nicht vor. Für die Ursache, nämlich den Defekt der örtlichen Kläranlage, sei sie, die Beklagte, nicht verantwortlich. Darauf habe sie auch keine Einflussmöglichkeiten. Bei der Entnahme von Wasserproben vor Ort habe sich keine Überschreitung von Grenzwerten ergeben.

Das Urteil des Landgerichts Köln (Az. 2 O 56/15)

Nach Urteil des Landgerichts Köln (Az. 2 O 56/15) steht dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 3.949,07 Euro aus § 346 Abs. 1, § 651d Abs. 1, § 638 Abs. 4 BGB wegen Minderung des Reisepreises zu. Ebenso wird ein Schmerzensgeld und ein Anspruch auf Ersatz nutzlos aufgewandter Urlaubszeit zugesprochen.

Gemäß § 651d Abs. 1 BGB mindert sich für die Dauer des Mangels der Reisepreis nach Maßgabe des § 638 Abs. 3 BGB, wenn ein Reisemangel im Sinne des § 651c Abs. 1 BGB vorliegt. Ein Reisemangel liegt vor, wenn die Reise mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Dies setzt voraus, dass der tauglichkeitsmindernde Fehler aus dem Gefahrenbereich des Reiseveranstalters stammt. Es muss sich nicht notwendigerweise ein vom Veranstalter beeinflussbares Risiko realisieren. Auch vom Reiseveranstalter nicht beeinflussbare Risiken können einen Reisemangel begründen, sofern sie nicht zum allgemeinen Lebensrisiko zählen (Sprau, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 651c Rz 2). Es ist anerkannt, dass selbst Beeinträchtigungen auf Grund höherer Gewalt einen Reisemangel begründen können, soweit sie sich auf die geschuldete Leistung unmittelbar auswirken (Sprau, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 651c Rz 2).

Ausgelöste Magen-Darm-Infektion durch defekte Kläranlage begründet Reisemangel

Eine durch einen Defekt der örtlichen Kläranlage ausgelöste Magen-Darm-Erkrankung begründet einen Reisemangel. Die Reise wird dadurch in ihrer Tauglichkeit gemindert; die Erkrankung hindert die Reiseteilnehmer an sämtlichen Aktivitäten, insbesondere der normalen Nahrungsaufnahme. Es steht fest, dass sämtliche Familienmitglieder an einer akuten Gastroenteritis erkrankt waren. Dies ergibt sich aus den beigebrachten Arztberichten.

Keiner Beurteilung bedarf an dieser Stelle, ob zugunsten der Kläger ein Anscheinsbeweis dahingehend streitet, dass die Magen-Darm-Erkrankungen auf dem Defekt der örtlichen Kläranlage beruhen. Die Beklagte selbst hat als Ursache für die Magen-Darm-Erkrankungen unmissverständlich den Defekt der örtlichen Kläranlage herausgestellt. Im Übrigen ist aber ein solcher Anscheinsbeweis auch anzunehmen, wenn - wie vorliegend - eine Vielzahl von Personen in derselben Region zur gleichen Zeit an Magendarmerkrankungen leidet und das Meer sich in einem Zustand befindet, wie er sich aus den diversen Stellungnahmen in Internet-Foren ergibt. Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagte nicht erschüttert. Soweit sie behauptet, entnommene Proben hätten ergeben, dass die Grenzwerte für Kolibakterien, Fäkalkolibakterien und Streptokokken nicht überschritten gewesen seien, kann dieser Beweis allein durch das Zeugnis des Herrn L. nicht geführt werden. Klägerseits wurde der beklagtenseits behauptete Leitwert für Kolibakterien, Fäkalkolibakterien sowie Streptokokken bestritten. Ausführungen zu den Leitwerten kann nur ein Sachverständiger machen. Es handelt sich nicht um einen Umstand, der Gegenstand der Wahrnehmung und damit dem Zeugenbeweis zugänglich ist.

Unerheblich für das Vorliegen des Reisemangels ist, dass die ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit der örtlichen Kläranlage außerhalb des Einflussbereichs der Beklagten liegt. Die Kammer teilt die Ansicht der Beklagten nicht, wonach ein Reisemangel nur dann vorliegen könne, wenn er aus dem Einflussbereich des Reiseveranstalters stamme.

Dem Kläger steht ein Schadenersatzanspruch in Höhe von 341,75 Euro gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu

Die Beklagte hat gegenüber den Klägern eine aus dem Reisevertrag folgende Nebenpflicht verletzt, indem sie sich nicht ausreichend über die Zustände vor Ort informiert hat und die Kläger kurzfristig auf eine andere Region der Türkei umgebucht hat. Aus den Eintragungen in den klägerseitig vorgelegten Internetforen ergibt sich, dass die unzureichenden hygienischen Zustände in der Urlaubsregion bereits Anfang August 2014 zu Magendarmbeschwerden der Urlauber führten. Eine Häufung von Durchfallerkrankungen war jedenfalls seit dem 4.8.2014, also schon 10 Tage vor Anreise der Kläger, aufgetreten. Hätte die Klägerin sich hinreichend informiert über aktuelle Probleme in der Region, hätte sie schon Anfang August Kenntnis über die Lage vor Ort haben müssen. Es wäre ihre Pflicht gewesen, die Kläger an einem alternativen Ort unterzubringen. Die entstandenen Schäden (Rezeptzahlungen, Taxikosten, Hotelmehrkosten) beruhen kausal auf der Pflichtverletzung der Beklagten.

Gericht:
Landgericht Köln, Urteil vom 24.08.2015 - 2 O 56/15

Landgericht Köln
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