Eine Frau machte mit ihrem Mann Urlaub in der Türkei und wollte an einer Animationsveranstaltung im Hotel teilnehmen. Die Eheleute setzten sich dazu auf Plastikstühle, die vor der Bühne aufgestellt worden waren. Die Frau stürzte dabei samt Stuhl zu Boden, weil eines der Stuhlbeine durch das Gitter eines Abflussschachtes rutschte.

Sommer, Sonne und Strand gehören für viele einfach zum perfekten Urlaub. Allerdings ist man auch während der Ferien nicht gegen Unfälle gefeit. Egal ob die Klimaanlage nicht funktioniert, das servierte Essen ungenießbar ist oder man sich auf dem Hotelgelände verletzt: Etwaige Mängelansprüche muss man gemäß § 651g I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) innerhalb eines Monats nach vertragsgemäßer Beendigung der Reise beim Reiseveranstalter geltend machen, sog. Ausschlussfrist.

Stuhlbein rutscht in Abflussgitter

Eine Frau machte mit ihrem Mann Urlaub in der Türkei. Eines Abends wollten die beiden an einer Animationsveranstaltung im Hotel teilnehmen. Die Eheleute setzten sich dazu auf Plastikstühle, die vor der Bühne aufgestellt worden waren. Die Frau stürzte dabei samt Stuhl zu Boden, weil eines der Stuhlbeine in das Gitter eines Abflussschachts gerutscht und dort stecken geblieben war. Sie verletzte sich an der Schulter und wurde unverzüglich ins Krankenhaus gebracht. Eine Untersuchung ergab lediglich, dass sich die Frau keine Knochen gebrochen hatte. Nachdem das Ehepaar planmäßig am 24.10.2012 wieder in ihre Heimat zurückgekehrt war, nahmen die Schmerzen jedoch immer mehr zu - bei einer weiteren ärztlichen Konsultation wurde festgestellt, dass in der Schulter der Urlauberin zwei Sehnen gerissen waren.

Am 11.01.2013 machte die Frau daher Mängelansprüche gegen den Reiseveranstalter geltend. Der verweigerte jegliche Zahlung - schließlich habe die Frau ihre Ansprüche zu spät geltend gemacht. Dabei sei sie mittels Reisebestätigung auf die einmonatige Ausschlussfrist nach § 651g I BGB deutlich hingewiesen worden. Letztendlich sei das Hotel ausreichend auf seine Sicherheit untersucht worden, bevor der Reiseveranstalter es unter Vertrag genommen habe.

Ausschlussfrist versäumt

Das Amtsgericht (AG) Hannover bejahte eine Zahlungspflicht des Reiseveranstalters - allerdings nicht aufgrund von Mängelansprüchen gemäß § 651f II BGB. Die waren nach § 651g I 1 BGB ausgeschlossen, weil sie nicht innerhalb von einem Monat nach ihrer Rückkehr geltend gemacht worden sind.

Stattdessen hat die Urlauberin ca. drei Monate damit gewartet, ihre Forderungen durchzusetzen, obwohl der Reiseveranstalter gemäß § 6 II Nr. 8 BGB-InfoV in der Reisebestätigung ausdrücklich auf die einmonatige Ausschlussfrist hingewiesen hatte. Auch enthielt die Reisebestätigung den klaren Hinweis, dass sämtliche Mängelansprüche entfallen, wenn die Ausschlussfrist versäumt wird.

Nach § 651g I 2 BGB kann die Forderung zwar auch noch verspätet geltend gemacht werden - das ist aber nur möglich, sofern der Urlauber die Ausschlussfrist unverschuldet nicht einhalten konnte. Das wäre z. B. der Fall, wenn erst nach Fristablauf gesundheitliche Spätfolgen erkennbar werden. Vorliegend jedoch hatte die Frau seit ihrem Sturz vom Stuhl Schmerzen in der Schulter, die auch nach ihrer Heimkehr nicht abklangen, sondern immer schlimmer wurden. Zwar kannte sie die genaue Diagnose noch nicht. Für die Geltendmachung der Mängelansprüche genügt es aber, die Symptome zu benennen - vorliegend also die wochenlangen Schmerzen in der Schulter. Damit war die Ausschlussfrist abgelaufen und die Ansprüche aus § 651f BGB waren entfallen.

Verstoß gegen Verkehrssicherungspflicht

Hingegen hatte der Reiseveranstalter eine Verkehrssicherungspflicht verletzt, weshalb er gemäß § 253 II BGB i.V.m. § 823 I BGB 5000 Euro Schmerzensgeld zahlen musste. Schließlich hat sich die Urlauberin in dem Hotel eines Vertragspartners erheblich an der Schulter verletzt. Zwar war er nicht der Betreiber des Hotels – allerdings muss er seine Vertragspartner sorgfältig auswählen sowie regelmäßig kontrollieren, ob die Hotelanlage über einen ausreichenden Sicherheitsstandard verfügt. Die nur einmalige Überprüfung vor Vertragsschluss, ob von der Unterkunft irgendwelche Gefahren ausgehen, reichte dagegen nicht.

Befindet sich die Unterkunft in Deutschland, darf der Reiseveranstalter "weitgehend auf eine bau-, feuer- und gesundheitspolizeiliche Genehmigung und Überwachung vertrauen". Es reicht also aus, wenn der Reiseveranstalter seine Vertragspartner ab und zu stichprobenartig kontrolliert. Bei Hotels im Ausland gelten jedoch bezüglich der behördlichen Überwachung sowie der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen häufig andere Regeln. Hier muss der Reiseveranstalter regelmäßig klären, ob Gefahrenquellen - z. B. Stolperfallen - für Feriengäste bestehen, und sie notfalls beseitigen. Das gilt vor allem für Bereiche im Hotel, die besonders häufig von den Gästen aufgesucht werden, etwa der Pool oder ein Veranstaltungssaal.

Da es nicht unüblich ist, dass vor einer Bühne Stühle für Zuschauer aufgestellt werden, hätte der Reiseveranstalter sicherstellen müssen, dass dort keine Gefahren für die Gäste existieren. Das über dem Abflussschacht angebrachte Gitter befand sich jedoch direkt vor der Bühne, war in der Dunkelheit nicht zu sehen und hatte zwischen den Streben breite Zwischenräume. Eine Verletzungsgefahr bestand somit und der Reiseveranstalter hätte diesen Zustand beseitigen bzw. beseitigen lassen müssen. Stattdessen blieb er untätig, was das Gericht als Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht wertete.

Gericht:
Amtsgericht Hannover, Urteil vom 08.08.2014 - 506 C 6988/13

Sandra Voigt
Assessorin
Redakteurin - Juristische Redaktion
Ein Beitrag von anwalt.de

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