Reisemangel - Reisebüros sind Reisevermittler und keine Reiseveranstalter. Bei einer individuell zusammenstellten Reise muss bei Reisemängel der jeweilige Dienstleister (Fluglinie, Hotel etc.) direkt verklagt werden.

Der Sachverhalt

Eine Urlauberin buchte eine kombinierte Flug- und Schiffsreise mit zwei Hotelaufenthalten auf Jamaika, die im Reisebüro nach Ihren Wünschen individuell zusammengestellt wurde. Bei dieser Reise wurde auf dem Hinflug jedoch der Koffer nicht mitbefördert. Erst nach Abschluss der Schiffsreise erhielt sie diesen wieder. Die Urlauberin verlangt von dem Reisebüro Minderung des Reisepreises, Schadensersatz wegen mangelbedingter Mehrkosten für die Reise sowie Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit. Mit diesem Begehren zog sie vor das Amtsgericht.

Das Amtsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Es hat angenommen, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten kein Reisevertrag gemäß § 651a Abs. 1 BGB, sondern lediglich ein Reisevermittlungsvertrag i. S. des § 675 BGB zustande gekommen sei. Das Reisebüro sei nicht als Reiseveranstalter Vertragspartner eines aus mehreren Reiseleistungen zusammengesetzten Reisevertrags geworden, weil es lediglich die die Reiseleistungen anderer Anbieter für einen Vertragsschluss angeboten habe und hierbei erkennbar nur vermittelnd tätig geworden sei.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts bestätigt. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gibt es weder einen Erfahrungssatz noch eine gesetzliche Auslegungsregel, wonach ein Reisebüro, das einzelne Reiseleistungen verschiedener Leistungserbringer zu einer individuellen, auf die Wünsche des Kunden zugeschnittenen Reise zusammenstellt, zwangsläufig als Reiseveranstalter anzusehen ist.

Vermittlung von Reiseleistungen


Ein Reisebüro übernimmt in der Regel typischerweise lediglich die Tätigkeit eines Vermittlers von Reiseleistungen. Allein aus dem Angebot mehrerer zeitlich und örtlich aufeinander abgestimmter Reiseleistungen auf Wunsch des Kunden kann nicht geschlossen werden, dass das Reisebüro dem Kunden gegenüber wie ein Reiseveranstalter die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung der einzelnen Reiseleistungen übernimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen. Diese Richtlinie definiert in Art. 2 sowohl den Begriff des Veranstalters als auch des Vermittlers von Pauschalreisen.

Die Entscheidung des Gerichtshof

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in der Rechtssache C-400/00 (Club-Tour ./. Garrido) entschieden, dass der Begriff der Pauschalreise im Sinne der Richtlinie auch solche Reisen einschließt, die von einem Reisebüro auf Wunsch und nach den Vorgaben des Verbrauchers organisiert werden. Auch daraus ergibt sich nur, dass ein Reisebüro in diesen Konstellationen Reiseveranstalter sein kann, nicht aber, dass es unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls stets als solcher anzusehen ist. In dem vom EuGH entschiedenen Fall war das vorlegende nationale Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Reisebüro dort als Reiseveranstalter aufgetreten war. Dem EuGH war lediglich die Frage vorgelegt worden, ob es sich um eine Pauschalreise im Sinne der Richtlinie handelte. Auch für den Bundesgerichtshof besteht angesichts des eindeutigen Wortlauts der Pauschalreiserichtlinie keine Veranlassung, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob ein Reisebüro im Einzelfall als bloßer Reisevermittler einzustufen sein kann.

Vorinstanzen:

AG Frankfurt am Main - Urteil vom 21. Februar 2008 - 30 C 3839/06-25
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 30. Oktober 2008 - 2-24 S 64/08

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. September 2010 – Xa ZR 130/08

Querverweise:
Weitere Urteile zum Thema Reisemangel

Rechtsindex, PM des BGH
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