An einem Samstagnachmittag hatte sich ein Mann versehentlich aus seiner Wohnung ausgeschlossen und verständigte den Schlüsseldienst. Dieser öffnete die Tür binnen einer Minute mit einer Plastikkarte. Hierfür rechnete der Schlüsseldienst rund 320 Euro ab. Handelt es sich hierbei um Wucher?

Der Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft war der Auffassung, dass die Arbeiten allenfalls einen Wert von 130 Euro gehabt hätten und klagte den Schlüsseldienstbetreiber wegen Wuchers gem. § 291 StGB an. Amts- und Landgericht hatten den Schlüsseldienstbetreiber vom Vorwurf des Wuchers freigesprochen.

Die Entscheidung

Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln (Urteil, Az. 1 RVs 210/16) hat den Freispruch bestätigt. Für eine Strafbarkeit wegen Wuchers sei erforderlich, dass der Angeklagte eine Zwangslage ausbeute (§ 291 Abs. 1 S. 1 Ziff. 3 StGB). Das sei vorliegend nicht der Fall.

Aus dem Urteil: [...] "Zwangslage" im Sinne der genannten Vorschrift ist eine ernste Bedrängnis, in der der Geschädigte auf die Leistung angewiesen ist, ein aufgrund äußerer Umstände eintretendes Sachbedürfnis. Eine Existenzbedrohung ist nicht vorausgesetzt; ebenso ist unerheblich, ob der Bewucherte die Zwangslage zu vertreten hat. Der Begriff der Zwangslage findet im Kernstrafrecht noch in §§ 182, 232 und 233 StGB (sowie ab 15. Oktober 2016 zusätzlich noch in den durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels vom 11.10.2016 [BGBl. I S. 2226] neu eingeführten §§ 232a und 232b StGB) Verwendung. Zu § 182 hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, die Zwangslage stelle eine ernste persönliche oder wirtschaftliche Bedrängnis des Opfers dar, sie müsse ernst, brauche aber nicht existenzbedrohend zu sein. Vorausgesetzt seien bedrängende Umstände von einigem Gewicht, welchen in spezifischer Weise die Gefahr einer Rechtsgutsverletzung anhafteten, welchen sich das Tatopfer nicht ohne weiteres entziehen könne. Solche seien nicht schon immer dann anzunehmen, wenn die Situation nach den Umständen des Falles die Tathandlung ermögliche oder erleichtere (BGHSt 42, 399 [400 f.]).[...]

Allein das Ausgesperrtsein reicht als Zwangslage im Sinne des Strafgesetzes nicht aus. Es müssen zusätzliche Umstände hinzukommen. Anders als in Vergleichsfällen, bei denen z.B. ein Kind in der Wohnung eingesperrt ist, Wasser aus einer verstopften Rohrleitung austritt oder wegen eingeschalteter elektrischer Geräte Brandgefahr besteht, habe vorliegend keine dringende Notsituation bestanden, die die sofortige Beauftragung des Angeklagten unabweisbar erscheinen ließe.

Daher sei es dem Ausgeschlossenen zumutbar gewesen, sich vor Beauftragung des Schlüsseldienstes nach den Preisen zu erkundigen und gegebenenfalls Alternativangebote einzuholen, zumal ein Nachbar Hilfe angeboten hatte. Denn im Wirtschaftsleben sei es zunächst Sache des Auftraggebers, sich nach den Kosten für eine benötigte Leistung zu erkundigen.

Wenn kein Preis vereinbart wird...

Außerdem sei der zivilrechtliche Schutz des Geschädigten zu beachten. Wird vor der Tätigkeit des Schlüsseldienstes kein Preis vereinbart, müsse der Auftraggeber ohnehin nur die übliche Vergütung und keine überhöhte Rechnung bezahlen. Kann der Schlüsseldienst wegen der Notlage einen Wucherpreis durchsetzen, ist das Rechtsgeschäft nichtig. Über die zivilrechtliche Frage des Entgelts war in dem Strafverfahren aber nicht zu entscheiden.

Gericht:
Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 22.11.2016 - 1 RVs 210/16

OLG Köln
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