Eine Kundin beabsichtigt eine Klage gegen den Hersteller Volkswagen auf Rückgabe ihres Fahrzeugs und die Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs. Hierzu hat das Oberlandesgericht Hamm - in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses des Landgerichts Essen - Prozesskostenhilfe bewilligt.

Der Sachverhalt

Die antragstellende Kundin erwarb im Jahre 2011 ein Neufahrzeug vom Typ VW Polo Trendline 1,6 l TDI zum Preis von ca. 19.500 Euro. Im Oktober 2015 erfuhr die Kundin, dass ihr Fahrzeug vom sog. Abgasskandal betroffen ist. Der verbaute Dieselmotor (Typ EA 189) verfügt über eine Software, die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf "optimiert".

Vom Hersteller verlangte die Kundin sodann, ihr gegen Rückgabe des gekauften Fahrzeugs ein mangelfreies Ersatzfahrzeug zu liefern. Dies lehnte der Hersteller ab, er hielt das gekaufte Fahrzeug nicht für mangelhaft und das Nachlieferungsverlangen der Antragstellerin für unverhältnismäßig. Das gekaufte Fahrzeug könne nachgearbeitet werden, wofür voraussichtlich Kosten von weniger als 100 Euro anfallen würden. Im Falle der Nachlieferung entstünden Kosten von etwa 19.300 Euro.

Unter Hinweis darauf, dass das gekaufte Fahrzeug zwar mangelhaft, die verlangte Nachlieferung aber unverhältnismäßig sei, hat das Landgericht die beantragte Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts war erfolgreich. Der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm (Az. 28 W 14/16) hat die Erfolgsaussichten der beabsichtigen Klage bejaht und der Antragstellerin Prozesskostenhilfe bewilligt.

Ihren Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs habe die Antragstellerin, so der Senat, schlüssig vorgetragen. Sie habe mit hinreichender Erfolgsaussicht einen bereits bei der Fahrzeugübergabe vorhandenen Sachmangel geltend gemacht. Durch die Installation der Manipulationssoftware, die die korrekte Messung der Stickoxidwerte verhindere und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegele, dürfte das Fahrzeug von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit abweichen.

Ob der Hersteller die von der Antragstellerin gewählte Art der Nacherfüllung aufgrund unverhältnismäßiger Kosten verweigern dürfe, sei derzeit noch nicht abschließend und sicher festzustellen. Über diesen Einwand sei im Hauptsacheverfahren zu entscheiden. Dabei müsse dem Hersteller nicht nur die von der Antragstellerin gewünschte Nachlieferung sondern auch die von ihm, dem Hersteller, favorisierte Nachbesserung tatsächlich möglich sein.

Bislang keine Freigabe des Kraftfahrtbundesamtes

Insoweit sei u.a. zu berücksichtigen, dass dem Hersteller bislang keine Freigabe des Kraftfahrtbundesamtes für die von ihm beabsichtigte technische Umrüstung des streitgegenständlichen Fahrzeugmodells vorliege. Bislang sei auch nicht vorgetragen, wann mit der Freigabe zu rechnen sei und bis zu welchem Zeitpunkt die technische Maßnahme dann ggfls. an dem Fahrzeug der Antragstellerin umgesetzt werden könne.

Bislang keine Nachbesserung binnen angemessener Frist möglich

Es erscheine zweifelhaft, ob der Hersteller unter Hinweis auf die Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung auf eine Nachbesserung verweisen könne, wenn diese nicht binnen angemessener Frist möglich sei. Die rechtliche und tatsächliche Bewertung dieses Gesichtspunkts sowie der zwischen den Parteien umstrittenen Frage der Kosten, die bei der Prüfung der Unverhältnismäßigkeit zu berücksichtigen seien, sei allerdings nicht bereits im Rahmen des summarischen Prozesskostenhilfeverfahrens vorzunehmen.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 21.06.2016 - 28 W 14/16

OLG Hamm
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