Das Landgericht Berlin hat mit Urteil (Az.20 O 172/15) entschieden, dass die Eltern einer minderjährig Verstorbenen als deren Erben von Facebook die Zugangsdaten zu dem Benutzerkonto herausverlangen können.

Der Sachverhalt

Die Tochter der Klägerin war mit 15 Jahren unter ungeklärten Umständen durch eine in einen Bahnhof einlaufende U-Bahn tödlich verletzt worden. Die Klägerin erhoffte, über den Facebook-Account ihrer Tochter und die dort ausgetauschten Nachrichten und Posts mehr über den Tod ihrer Tochter zu erfahren.

Insbesondere wollte die Klägerin klären, ob es sich um einen Selbstmord gehandelt haben könnte. Dies war auch deshalb von Bedeutung, als der Fahrer der U-Bahn, die die Verstorbene erfasst hatte, gegen die Erben ein Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verdienstausfalls geltend machte. Facebook verweigerte der Klägerin die Zugangsdaten zu dem in einen Gedenkzustand versetzten Account, so dass diese Klage erhob.

Das Urteil des Landgerichts Berlin

Das Landgericht Berlin (Urteil, Az. 0 O 172/15)  gab der Klage statt und verpflichtete Facebook, den Eltern der Verstorbenen als deren Erben Zugang zu dem Benutzerkonto und dessen Kommunikationsinhalten zu gewähren. Der Vertrag zur Nutzung der Facebook-Dienste, den die Tochter abgeschlossen hatte, sei wie jeder andere schuldrechtliche Vertrag auf die Erben übergegangen. Eine unterschiedliche Behandlung des digitalen und des "analogen" Vermögens des Erblassers sei nicht gerechtfertigt. Denn eine Ungleichbehandlung würde dazu führen, dass persönliche Briefe und Tagebücher unabhängig von ihrem Inhalt vererblich wären, E-Mails oder private Facebook-Nachrichten hingegen nicht.

Schutzwürdige Interessen von Facebook seien nicht gegeben. Der Nutzungsvertrag werde regelmäßig ohne nähere Prüfung des Nutzers abgeschlossen werde und dessen Identität kontrolliere Facebook nur in Ausnahmefällen. Ebenso stehe das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen einer Zugangsgewährung nicht entgegen. Denn die Erziehungsberechtigten seien für den Schutz des Persönlichkeitsrechtes ihrer minderjährigen Kinder zuständig. Dies gelte nicht nur zu deren Lebzeiten. Jedenfalls dann, wenn besondere Umstände wie hier die ungeklärte Todesursache der Tochter vorlägen, seien die Eltern als Erben berechtigt, sich Kenntnis darüber zu verschaffen, was ihre Tochter im Internet geäußert habe.

Die Gedenkzustands-Richtlinie, wie sie Facebook vor 2014 verwandt habe, sei unwirksam. Es stelle eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer bzw. deren Erben dar, wenn eine beliebige Person der Facebook-Freundesliste veranlassen könnte, dass das Profil des Nutzers in den Gedenkzustand versetzt werde, und wenn dies auch von den Erben nicht rückgängig gemacht werden könne.

Auch das Datenschutzrecht stehe dem Anspruch auf Zugangsgewährung nicht entgegen. Vertrauliche Briefe, die ein Dritter verschickt habe, würden nach dem Tod des Empfängers von den Erben gelesen werden können, ohne dass ein Eingriff in die Rechte dieser Dritten vorliege. Nichts Anderes gelte für digitale Daten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Gericht:
Landgericht Berlin, Urteil vom 17.12.2015 - 20 O 172/15

LG Berlin
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