Anleger, die selbst einen Güte- oder Schlichtungsantrag stellen möchten, sollten das BGH-Urteil vom 03.09.2015 beachten. Dort steht unter Randnummer 17 beschrieben, was in Fällen der Anlageberatung notwendiger Inhalt des Antrags ist.

Wieder eine Schlappe für einen Anleger brachte seine Klage beim Landgericht Hagen: In zweiter Instanz drohte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 13.10.2015 (34 U 66/15) die Zurückweisung der Berufung an. Es ließ ausdrücklich dahingestellt, ob der Beklagten überhaupt Beratungsfehler anzulasten seien, denn "jedenfalls" sei der Anspruch verjährt. Der vorgerichtliche Güteantrag des Klägers habe die Hemmung der Verjährung nicht bewirkt, weshalb auch die Klage verspätet war.

Was war geschehen?

Der klagende Anleger hatte 1994 eine Beteiligung an einem Immobilienfonds gezeichnet. Weil diese Investition sich negativ entwickelte, vor allem aber der Anleger sich falsch beraten fühlte, wandte er sich, aufgeschreckt von der Ende 2011 drohenden Verjährung, an eine Kanzlei, die ihm Hilfe anbot.

Was er sicher nicht wusste: er befand sich letztlich in Gesellschaft von mehreren tausend weiteren Anlegern. Für diese wurden von besagter Kanzlei im Dezember 2011 bei einer einzigen, von einem Einzelanwalt betriebenen Gütestelle Schlichtungsanträge gestellt, insgesamt 12.000. Offenbar (so jdf. das OLG Hamm) wussten die Rechtsanwälte schon vorher, dass die Anspruchsgegnerin in vorherigen Prozessen stets eine vergleichsweise Beilegung des Streits abgelehnt hatte. Der gestellte Güteantrag war lediglich insofern individualisiert, dass daraus Name, Anschrift, Kapitalanlage und Beteiligungsnummer hervorgingen. Nennbetrag sowie Agio, vollständige Leistung und eine Darstellung, wie es zur Zeichnung kam, fehlten, auch weshalb der Schadensersatz beansprucht werde. Der Inhalt variierte offenbar lediglich von Fonds zu Fonds, nicht aber von Anleger zu Anleger.

Ausdrücklich nimmt das OLG Hamm auf die diesjährige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Bezug. Wir berichteten darüber schon hier. Zwischenzeitlich treffen wöchentlich neue Entscheidungen ein, wie die vom 16.07.2015 zu III ZR 164/14 und III ZR 302/14. Diese Gedanken führt es sehr stringent fort.

Natürlich hat die Rechtsprechung des BGH - zu Recht - auch Kritik gefunden. Unserer Meinung ist in den Entscheidungen seit Juli ein vorsichtige Eingrenzung zu beobachten. So hat der 3. Zivilsenat es im Beschluss vom 15.10.2015 schon ausreichen lassen, wenn dem Güteantrag die Kopie der Beitrittserklärung beigefügt ist.

Auch die Entscheidung des OLG Hamm muss sich Kritik gefallen lassen. Zwar ist es richtig, dass das Abladen von 12.000 Güteantragen bei nur einer kleinen Gütestelle nicht bedenkenfrei ist. Allerdings ist durchaus die - vom Gericht übersehene - Frage, ob die Rechtsanwälte allein deswegen schon daran schuld sind, wenn die Gütestelle die Schlichtungsanträge nicht nach jeweiliger Bearbeitung dem Antragsgegner zustellt. Allerdings hätte das letztlich auch nichts daran geändert, wenn der Antragsinhalt nicht ausreichte.

Anleger, die selbst einen Güte- oder Schlichtungsantrag stellen möchten, sollten jedenfalls das BGH-Urteil vom 03.09.2015 beachten. Dort steht unter Randnummer 17 beschrieben, was in Fällen der Anlageberatung notwendiger Inhalt des Antrags ist.

Anleger, die in ihrem verständlichen Ärger über falsche Kapitalanlagen nur allzu gerne dem Werben von Kolleginnen und Kollegen in Massenrundschreiben nachgeben, weil sie dort mehr oder weniger geschickt angesprochen werden, sollten sich dessen bewusst sein: Massenrundschreiben zielen darauf ab, dass den Kanzleien vermehrt Mandate erteilt werden. Dazu müssen aber die Ressourcen vorhanden sein, die sehr individuelle Beratungssituation eines jeden Mandanten herauszuarbeiten. Dem kann man mit formularmäßigen Güte- oder Schlichtungsanträgen nicht Rechnung tragen, wie die Rechtsprechung jetzt zeigt. Rechtsanwälte sind zudem verpflichtet, den sicheren Weg aufzuzeigen und diesen möglichst auch zu beschreiten. Davon kann aber keine Rede sein, wenn wie im hier besprochenen Fall nicht vorsichtshalber die Anträge auf mehrere Gütestellen verteilt werden.

Betroffene Anleger, deren Anwälte mit fehlerhaften Güteanträgen die Verjährung nicht wirksam gehemmt und die deshalb ihre Schadenersatzklagen verloren haben, können daher unter Umständen von ihren Anwälten, die die Güteanträge gestellt oder Ihnen die Muster zur Verfügung gestellt haben, Schadenersatz unter dem Gesichtspunkt der Anwaltshaftung verlangen.

Artikellink: Fehlende Individualisierung von Güteanträgen

Ein Beitrag von Nittel & Minderjahn | Rechtsanwälte Partnerschaft mbB


Die Anwälte von Nittel und Minderjahn mit ihrer Kanzlei für Bank- und Kapitalmarktrecht in Neckargemünd, München, Berlin und Hamburg vertreten seit Jahren mit großem Erfolg private und institutionelle Anleger gegen Banken, Versicherungen, andere Finanzinstitute, Vermögensverwalter, Anlageberater und sonstige Finanzdienstleister sowie Emittenten von Anlageprodukten. Unsere Kernkompetenz ist es, Anleger vor unseriösen und betrügerischen Angeboten zu schützen und Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Weiterhin vertreten wir bundesweit Mandanten, die von ihrem bisherigen Anwalt nicht richtig vertreten wurden im Anwaltshaftungsrecht. Darüber hinaus betreuen wir Bankkunden in bank- und kreditrechtlichen Fragestellungen. Mehr Informationen zu Nittel und Minderjahn | Rechtsanwälte finden Sie im Internet unter https://nittel.co , http://anwaltshaftung.de und http://darlehenswiderruf.net
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