Ein Rechtsanwalt beantragte bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer, ihm die Bezeichnung "Fachanwalt für Bank-und Kapitalmarktrecht" zu verleihen. Einen entsprechenden Lehrgang hatte er nicht absolviert. Die abverlangten besonderen theoretischen Kenntnisse seien in seinen Veröffentlichungen nachgewiesen.

Des Weiteren verwies der Rechtsanwalt gegenüber der Rechtsanwaltskammer unter Vorlage seines Schwerbehindertenausweises und eines ärztlichen Attestes darauf hin, dass er aufgrund einer seit vielen Jahren bestehenden Schwerbehinderung nicht in der Lage sei, an einem vorbereitenden Lehrgang teilzunehmen und insbesondere die erforderlichen Klausuren zu schreiben.

Rechtsanwaltskammer weist Antrag zurück

Die Rechtsanwaltskammer wies den Antrag des Rechtsanwalts wegen des fehlenden Nachweises besonderer theoretischer Kenntnisse zurück. Sie führte u.a. aus, die Fachanwaltsordnung sehe einen Dispens vom Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse nicht vor. Er habe zudem nicht nachgewiesen, dass ihm aufgrund seiner Behinderung die erfolgreiche Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang unmöglich oder unzumutbar wäre. Bspw. gebe es Fernschulen, die Fachanwaltslehrgänge ohne Präsenzpflicht anbieten. Eine vollständige Befreiung des Antragstellers von dem Erfordernis des Besuches eines Fachlehrgangs sei nicht gerechtfertigt, so die Rechtsanwaltskammer.

Gegen den ablehnenden Bescheid der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf erhob der Rechtsanwalt beim Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen Verpflichtungsklage.

Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes (Az. 1 AGH 11/14)

Die Verpflichtungsklage ist erfolglos geblieben. Der 1. Senat des Anwaltsgerichtshofes für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil, Az. 1 AGH 11/14)  hat den ablehnenden Bescheid der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf bestätigt.

Die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung setzt gem. § 43 c BRAO i.V.m. §§ 2, 4 FAO voraus, dass der Antragsteller in einem Fachgebiet besondere theoretische Kenntnisse erworben hat. Gem. § 4 Abs.1 FAO erfolgt der Erwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse regelmäßig durch die Teilnahme an einem auf die Fachanwaltsbezeichnung vorbereitenden anwaltsspezifischen Lehrgang, der alle relevanten Bereiche des Fachgebiets umfasst. Sofern die theoretischen Kenntnisse außerhalb eines solchen Lehrgangs erworben werden, müssen diese dem im jeweiligen Fachgebiet zu vermittelnden Wissen entsprechen, § 4 Abs.3 FAO.

Fehlende theoretische Kenntnisse

Es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger außerhalb eines Lehrgangs die für die Fachanwaltsverleihung notwendigen theoretischen Kenntnisse erworben habe. Der Kläger habe nicht belegt, dass er über besondere theoretische Kenntnisse in allen in § 14 l FAO genannten Bereichen des Bank- und Kapitalmarktrechts verfüge. Einige Teilbereiche dieser Bestimmung würden von den vom Kläger vorgelegten Veröffentlichungen nicht erfasst. Die in Ergänzung hierzu vorgelegte Stellungnahme einer Anwaltskollegin sei allgemein und pauschal gehalten und bereits deswegen kein geeigneter Nachweis. Die somit in einzelnen Bereichen nicht nachgewiesenen Fachkenntnisse seien auch nicht durch ein mit dem Kläger geführtes Fachgespräch zu ersetzen.

Gesundheitliche Beeinträchtigung rechtfertigt keine Ausnahme

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers rechtfertigten ebenfalls keinen Dispens im Hinblick auf die Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang mit Klausurenpflicht. Es gebe Fernlehrgänge. Diese könne auch der Kläger absolvieren. Sie seien zwar mit Klausuren abzuschließen, bei denen eine Präsenzpflicht bestehe. Insoweit würden Teilnehmern mit Behinderungen aber - das sei gerichtsbekannt - Schreiberleichterungen eingeräumt. Dass der Kläger auch mit Schreiberleichterungen keine Klausur schreiben könne, habe er nicht vorgetragen.

Gericht:
Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.08.2015 - 1 AGH 11/14

Anwaltsgerichtshof Hamm
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