Der Antragsteller verbüßt eine Freiheitsstrafe in einer Justizvollzugsanstalt. Weil an Pfingsten hochsommerliche Temperaturen vorausgesagt waren, beantragte er die Überlassung eines Ventilators. Die Justizvollzugsanstalt lehnte diesen Antrag ab und verwies auf die Möglichkeit, einen Ventilator zu erwerben.

Der Sachverhalt

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung trägt der Antragsteller vor, dass bereits bei moderaten Außentemperaturen im Hafträumen "tropische Verhältnisse" entstehen würden. Er ist der Ansicht, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, den Gefangenen kostenfrei Ventilatoren zu überlassen, weil die unzulänglichen Lüftungsverhältnissen und die Hitzebelastung Folge der Umbaumaßnahme aus den Jahren 2012 und 2013 sei.

Aus den Entscheidungsgründen des Oberlandesgerichts Stuttgart - Az. 4 Ws 38/15 (V)

Überschreitet die Raumtemperatur im Haftraum nicht nur an einzelnen Tagen für mehrere Stunden 30° C, obwohl der Gefangene alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Absenkung der Raumtemperatur ausnutzt, ist die Justizvollzugsanstalt verpflichtet, im Rahmen des technisch, organisatorisch und unter Sicherheitsbelangen Zumutbaren Abhilfe zu schaffen. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass die Justizvollzugsanstalt den Gefangenen an den Tagen, an denen zu erwarten ist, dass die Raumtemperatur 30° C überschreitet, Ventilatoren zum kostenlosen Gebrauch überlässt.

Es existieren keine allgemeingültigen Regelungen über die zulässige Raumtemperatur für die Hafträume. Anhaltspunkte für das Erreichen einer unzumutbaren Überhitzung von zum Daueraufenthalt bestimmten Räumen können sich aus den Technischen Regeln für Arbeitsstätten zur Raumtemperatur (ASR A3.5) ergeben, die aufgrund § 7 Arbeitsstättenverordnung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bekannt gemacht wurden (GMBl. 2010, S. 751, zuletzt geändert GMBl. 2014, S. 287). So verpflichtet Ziffer 4.4 Abs. 2 der ASR A3.5 den Arbeitgeber bei einer Raumtemperatur von mehr als 30° zu wirksamen Schutzmaßnahmen gegen Gesundheitsgefährdungen.

Soweit ein dem grundrechtlich geschützten Mindeststandard entsprechendes Raumklima nur durch den Einsatz eines Ventilators sichergestellt werden kann (vgl. LT-Drucks. 14/5942, S. 23), darf die Justizvollzugsanstalt die Gefangenen nicht auf die Möglichkeit eines entgeltlichen Erwerbs oder einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung von Geräten verweisen. Die Justizvollzugsanstalten dürfen Gefangene - über den unter den Voraussetzungen des nach § 51 JVollzGB III zu erhebenden Haftkostenbeitrags hinaus - nicht ohne gesetzliche Ermächtigungsgrundlage an den Kosten für Unterbringung und Verpflegung beteiligen, die zur Deckung des grundrechtlich geschützten Mindestbedarfs dienen (vgl. Däubler/Galli in Feest/Lesting, StVollzG, 6. Aufl., § 50 Rn. 13 ff.).

Gemessen hieran durfte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers mit der gegebenen Begründung nicht ablehnen. Bei der erneuten Entscheidung kommt es maßgeblich darauf an, in welchen Zeiträumen welche Temperaturen in den Hafträumen erreicht werden. Die Antragsgegnerin hätte sich mit der Frage beschäftigen müssen, ob - gegebenenfalls auch aufgrund während Hitzeperioden in der Vergangenheit gewonnener Erfahrungen - im Haftraum des Antragstellers an mehreren Tagen über mehrere Stunden Temperaturen von über 30 ° C zu erwarten waren.

Gericht:
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 07.07.2015 - 4 Ws 38/15 (V)

OLG Stuttgart
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