Nach Urteil des OLG Hamm verpflichtet das anwaltliche Berufsrecht einen Rechtsanwalt, nach der Beendigung eines Mandats die von ihm geführten Handakten herauszugeben, wenn der Mandant diese zur weiteren Verfolgung seiner Rechtsangelegenheiten benötigt und die dem Anwalt zustehende Vergütung entrichtet hat.

Der Sachverhalt

Der angeschuldigte Rechtsanwalt aus Neuss vertrat ein Ehepaar aus dem selben Ort in drei gerichtlichen Verfahren. 2008 wechselte der Anwalt in eine Kanzlei nach Krefeld. Seine Mandanten entrichteten die ihm zustehenden Gebühren und Auslagen und beauftragten einen anderen Rechtsanwalt in Neuss mit der weiteren Verfolgung ihrer Rechtsangelegenheiten.

Der "neue" Rechtsanwalt forderte den angeschuldigten Anwalt von Juni 2008 bis September 2012 vergeblich auf, ihm die Mandanten-Handakten zur Weiterführung des Mandats herauszugeben.

Das Urteil des Anwaltsgerichtshofes (1 AGH 1/15)

Nach der - nunmehr geänderten - Rechtsprechung bejaht der Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen neben der zivilrechtlichen jetzt auch eine berufsrechtliche Pflicht zur Herausgabe von Handakten. Er hat deswegen den angeschuldigten Rechtsanwalt wegen Verletzung seiner berufsrechtlichen Pflichten mit einem Verweis belegt und zur Zahlung einer Geldbuße i.H.v. 2.000 Euro verurteilt.

Gravierendes Fehlverhalten des Rechtsanwalts

Das anlasslose Zurückhalten von Handakten stelle, so der Anwaltsgerichtshof, ein gravierendes Fehlverhalten des angeschuldigten Rechtsanwalts dar, so das Urteil des Anwaltsgerichthofes (1 AGH 1/15). Die Herausgabepflicht ist zwar nicht ausdrücklich in § 50 BRAO geregelt. Sie ist aber aus der Generalklausel des § 43 BRAO i. V. m. §§ 675, 667 BGB und inzident auch der Vorschrift des § 50 BRAO zu entnehmen. Der Senat, ohnehin gem. § 358 Abs.1 StPO an die Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs gebunden, ist der Ansicht, dass die anlasslose Zurückbehaltung der Handakten ein gravierendes Fehlverhalten darstellt. Denn der Mandant übergibt dem Rechtsanwalt seine Unterlagen zur Besorgung des Auftrages in dem Vertrauen, dass dieser - sein Rechtsanwalt - sich für ihn einsetzt und sich zumindest rechtmäßig verhält. Kommt es, aus welchen Gründen auch immer, zu einer Beendigung des Mandats und der Mandant verfolgt seine Rechtsangelegenheiten auf anderem Wege, etwa mit Hilfe eines anderen Rechtsanwalts weiter, kann er mit Fug und Recht erwarten, dass er seine dem früheren Bevollmächtigten ausgehändigten Originalunterlagen zurückerhält.

Keinerlei Grund für das Zurückhalten der Handakten ersichtlich

Ist der Rechtsanwalt hinsichtlich seiner Gebühren und Auslagen befriedigt, ist keinerlei Grund erkennbar, der ein solches Verhalten (Zurückhaltung der Handakten) rechtfertigen könnte. Mit einer gewissenhaften Berufsausübung ist das keinesfalls vereinbar, es widerspricht vielmehr in hohem Maße dem Vertrauen, dass der frühere Mandant in den Rechtsanwalt gesetzt hatte.

Gericht:
Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.05.2015 - 1 AGH 1/15

AGH Nordrhein-Westfalen
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Ein Rechtsanwalt verstößt nicht zwingend gegen das Verbot der Werbung um Praxis (§ 43b BRAO), wenn er einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines konkreten Beratungsbedarfs persönlich anschreibt und seine Dienste anbietet, so das Urteil des BGH. Urteil lesen

Statt die Gelder den Mandanten weiterzuleiten, verbrauchte der Anwalt das Geld für sich und für seine Kanzlei, die  hochverschuldet war. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wurde nun bestätigt. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de