Ein Rechtsanwalt hatte die Absicht, Werbetassen mit Schockbildern in Umlauf zu bringen. Eine dieser Tassen zeigt eine Frau, die sich eine Waffe an den Kopf hält und offenbar im Begriff ist, sich selbst zu töten. Daneben sollte der Text "Nicht verzagen, Anwalt fragen" abgedruckt werden.

Der Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. Er bat die zuständige Rechtsanwaltskammer um Prüfung, ob eine beabsichtigte Werbemaßnahme berufsrechtlich zulässig sei. Der Rechtsanwalt wollte Werbetassen in Umlauf bringen, die eine durchgestrichene Abbildung einer Frau zeigt, die mit einem Knüppel auf das entblößte Gesäß eines Kindes schlägt. Neben der Abbildung sollten der Text "Körperliche Züchtigung ist verboten § 1631 Abs. 2 BGB".

Die zweite Werbetasse zeigt einen Mann, der mit einem Stock auf das entblößte Gesäß einer Frau schlägt; daneben sollte die Frage "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" stehen.

Die dritte Werbetasse zeigt eine Frau, die sich eine Schusswaffe an den eigenen Kopf hält und offenbar im Begriff ist, sich selbst zu töten; daneben sollte der Text "Nicht verzagen, Anwalt fragen" abgedruckt werden. In allen Gestaltungen sollten der Name, die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" und die Kontaktdaten des Beschwerdeführers hinzugefügt werden.

Die Rechtsanwaltskammer teilte dem Beschwerdeführer mit, dass sie die Werbemaßnahme wegen eines Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot gemäß § 43b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) für unzulässig halte. Dagegen wehrt sich der Rechtsanwalt.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 3362/14)

Die Klage blieb ohne Erfolg. Dass für die Werbung von Rechtsanwälten - vor dem Hintergrund ihrer Stellung als Organ der Rechtspflege - ein Sachlichkeitsgebot gilt, ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Auf der Grundlage der Ausführungen des Beschwerdeführers ist weder eine Verletzung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) noch der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) oder der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ersichtlich.

Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat. Die vom Beschwerdeführer beanstandeten Entscheidungen der Rechtsanwaltskammer und der Ausgangsgerichte können zwar in die Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers eingreifen. Er hat indes nicht hinreichend dargelegt, dass dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt gewesen sei.

Auch die behauptete Verletzung seiner Kunstfreiheit macht der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich. Ungeachtet der Frage, ob die Ausgangsgerichte überhaupt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingegriffen haben, setzt sich der Beschwerdeführer mit einer möglichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs nicht hinreichend auseinander. Auch insoweit bezieht er sich auf Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Benetton-Werbung, ohne den Unterschied zur Zulässigkeit der Werbung eines Rechtsanwalts herauszuarbeiten und sich mit den unterschiedlichen Voraussetzungen auseinanderzusetzen.

Gleiches gilt für die behauptete Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. Auch hier beachtet der Beschwerdeführer nicht, dass ihm als Rechtsanwalt durch § 43b BRAO besondere Grenzen für die Werbung gezogen sind, seine freie Berufsausübung insoweit also durch Gesetz beschränkt ist. Dass die Norm als solche oder im konkreten Fall ihrer Anwendung in nicht zu rechtfertigender Weise in seine Berufsfreiheit eingreifen könnte, legt der Beschwerdeführer mit seinen pauschalen, in erster Linie auf die Meinungs- und Kunstfreiheit bezogenen Ausführungen nicht hinreichend dar.

Gericht:
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 05.03.2015 - 1 BvR 3362/14

BVerfG, PM Nr.17/2015 Langfassung
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