Auch weibliche Bedienstete einer Justizvollzugsanstalt dürfen männliche Gefangene durch einen Spion oder ein Fenster zum Haftraum überwachen. Dürfen sie das aber auch, wenn der Gefangene unbekleidet ist und sich gerade nach einer sportlichen Betätigung wäscht?

Der Sachverhalt

Nach einem Selbstmordversuch hatte die Anstaltsleitung angeordnet, den 37-jährigen Strafgefangenen in unregelmäßigen Zeitabständen von nicht mehr als 15 Minuten, auch bei Nacht, zu beobachten. Diese Beobachtungsmaßnahmen (durch das Fenster zu seinem Haftraum) führten teilweise auch weibliche Bedienstete durch.

In mindestens 3 Fällen war der Strafgefangene dabei nackt, nachdem er sich nach sportlicher Betätigung gewaschen hatte. Der Strafgefangene hat u.a. die Feststellung beantragt, dass seine Beobachtung durch weibliche Bedienstete rechtswidrig gewesen sei. Diesen Antrag hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm

Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer war erfolgreich. Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat den angefochtenen Beschluss aufgehoben. Die Sache ist nunmehr von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen erneut zu verhandeln und zu entscheiden.

Bei den Kontrollen ist die Intimsphäre des Gefangenen möglichst zu schonen, Kontrollen sind daher - wenn ihr Sicherungszweck nicht gefährdet wird - vorher anzukündigen, damit einem Gefangenen z.B. die Möglichkeit gegeben wird, eine etwaige Blöße zu bedecken, so die Entscheidung des OLG Hamm.

Nach dem Strafvollzugsgesetz dürfen einem Strafgefangenen, so der 1. Strafsenat, nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerlässlich seien. Grundsätzlich sei es zulässig, einen Strafgefangenen durch einen Türspion oder ein Fenster zum Haftraum - auch durch weibliche Bedienstete - zu beobachten, um einen etwaigen Selbstmord des Gefangenen zu verhindern. Auch bei dieser Kontrollmaßnahme sei allerdings die durch das Grundgesetz geschützte Intimsphäre des Gefangenen möglichst zu schonen. In diese werde eingegriffen, wenn der Gefangene zum Zeitpunkt einer Sichtkontrolle durch weibliche Bedienstete nackt sei. Dem trage der angefochtene Beschluss nicht hinreichend Rechnung.

Die Strafvollstreckungskammer habe daher erneut zu prüfen, ob nicht die Möglichkeit bestanden habe, dass die Bedienstete den Einblick in den Haftraum zuvor in irgendeiner Form z.B. durch ein Klopfzeichenoder eine Ansprache durch die Haftraumtür ankündige. Auf diese Art und Weise werde es dem Strafgefangenen ermöglicht, einen etwaigen Eingriff in seine Intimsphäre abzuwenden, indem er beispielsweise seine Blöße bedeckte. Andererseits könne auch in Betracht zu ziehen sein, ob ein Sichbemerkbarmachen vor dem Betreten des Haftraums zu unterbleiben habe, weil zu befürchten sei, dass der Gefangene eine Selbstmordabsicht noch zwischen Ankündigung und Sichtkontrolle verwirkliche.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 27.01.2015 (1 Vollz(Ws) 664 u. 665/14)

OLG Hamm
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