Die Mitwirkung der im Vorprozess mit der Sache befassten Richter bei dem Erlass der Entscheidung im späteren Anwaltshaftungsprozess stellt weder einen gesetzlichen Ausschlussgrund noch einen Ablehnungsgrund wegen Besorgnis der Befangenheit dar.

Der Sachverhalt

Die beklagten Rechtsanwälte vertraten den Kläger vor dem Landgericht Münster in einem Arzthaftungsprozess (nachfolgend: Vorprozess). Nach Abweisung der Klage legten sie auftragsgemäß Berufung ein, die sie nicht rechtzeitig begründeten. Der Kläger ist der Auffassung, sein Rechtsmittel wäre begründet gewesen. Er nimmt die beklagten Rechtsanwälte deshalb auf Schadensersatz in Anspruch.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist die Kammer zuständig, die bereits mit dem Vorprozess mit der Arzthaftungssache befasst war. Der Kläger hat den Kammervorsitzenden und ein weiteres Mitglied der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit mit der Begründung abgelehnt, dass der Fall demjenigen des gesetzlichen Ausschlusses des mit der Sache vorbefassten Richters nach § 41 Nr. 6 ZPO entspreche.

Das Ablehnungsgesuch ist vor dem Landgericht erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Ablehnungsbegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (IX ZB 65/13)

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die abgelehnten Richter sind wegen ihrer Mitwirkung im vorausgegangenen Arzthaftungsprozess weder ausgeschlossen (§ 41 Nr. 6 ZPO) noch befangen (§ 42 Abs. 2 ZPO).

Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes in Sachen ausgeschlossen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat. Seine Mitwirkung an einer anderen Entscheidung als der angefochtenen reicht hingegen nicht aus (BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - VI ZR 109/59, NJW 1960, 1762 f; vom 5. Dezember 1980 - V ZR 16/80, NJW 1981, 1273 f; Beschluss vom 24. Juli 2012 - II ZR 280/11, NJW-RR 2012, 1341 Rn. 2; BVerwG, NJW 1975, 1241; NJW 1980, 2722; BFHE 242, 271 Rn. 23). Im Streitfall haben die abgelehnten Richter, die im Anwaltshaftungsprozess in erster Instanz tätig werden sollen, nur in einem Vorprozess mitgewirkt, dessen für den Kläger negativer Ausgang den Anlass für die streitgegenständliche Haftungsklage gegeben hat. Dieser Fall wird von dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst.

Der Regressprozess bezwecke nicht die Überprüfung der im Ausgangsverfahren ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung, deren Richtigkeit nur inzidenter im Rahmen des geltend gemachten Schadens zu beurteilen sei. Einer ausdehnenden Auslegung sei die Vorschrift nicht zugänglich. Dem stehe das verfassungsrechtlich garantierte Recht der Beteiligten auf den gesetzlichen Richter entgegen.

Auch Besorgnis der Befangenheit nicht begründet

Die Tätigkeit der abgelehnten Richter im Ausgangsverfahren rechtfertige auch nicht die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO. Allein die Mitwirkung der Richter an dem klageabweisenden Urteil des Ausgangsprozesses begründe diese Besorgnis nicht.

Rechtsgrundlagen:
ZPO § 41 Nr. 6, § 42 Abs. 2

Gericht:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.12.2014 - IX ZB 65/13

BGH
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