Einem Verfahrensbeteiligten dürfen Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden zugerechnet werden. Das gilt aber nicht, wenn man hätte wissen können, dass mit einer normalen und üblichen Postbeförderung nicht zu rechnen war.

Der Sachverhalt

Durch Schriftsatz beantragte der Antragsteller in einer familenrechtlichen Sache Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist.

Der Antragsteller trägt vor, dass seine Verfahrensbevollmächtigte den Schriftsatz für die Beschwerdebegründung persönlich in den Briefkasten der Post eingeworfen habe. Seine Verfahrensbevollmächtigte erinnere sich deshalb so gut, weil sie in diesen Briefkasten grundsätzlich keine Briefsendungen einwerfe. Denn ihr sei bekannt, dass der Briefkasten nicht zu den angegebenen Zeiten geleert werde, so dass sich eine Zustellung der Briefe regelmäßig um mehrere Tage verzögere. Sie habe vor dem Einwurf von der unregelmäßigen Leerung des Briefkastens von Anwohnern Kenntnis erhalten. Aufgrund des noch lange zur Verfügung stehenden Zeitablaufs - mehr als 14 Tage - habe sie aber davon ausgehen können, dass die Beschwerdebegründung das Oberlandesgericht Schleswig noch innerhalb der gesetzten Frist erreiche.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig (Az. 10 UF 105/14)

Zwar ist es richtig, dass einem Verfahrensbeteiligten Verzögerungen oder sonstige Fehler bei der Briefbeförderung oder Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden zugerechnet werden dürfen. Er darf vielmehr darauf vertrauen, dass die normalen Postlaufzeiten eingehalten werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG den Empfänger fristgerecht erreichen kann (BGH WuM 2012, 157; BGH FamRZ 2010, 726). Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ergeben sich für den Beteiligten bzw. für den Verfahrensbevollmächtigten grundsätzlich keine weiteren Sorgfaltsanforderungen.

Anders ist es aber dann, wenn der Beteiligte bzw. der Verfahrensbevollmächtigte gewusst hat oder hätte wissen können, dass mit einer normalen und üblichen Postbeförderung nicht zu rechnen war. Dies ist zum Beispiel bei einem Poststreik der Fall (vgl. BGH NJW 1993, 1332). In diesem Fall ergeben sich dann gesteigerte Sorgfaltsanforderungen, insbesondere die Verpflichtung zur Nachfrage, ob das Schriftstück das Gericht erreicht hat (vgl. BGH a.a.O., Rn. 8).

Nachfrage beim Beschwerdegericht

Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers wäre verpflichtet gewesen nach Ablauf einer angemessenen Frist beim Beschwerdegericht nachzufragen, ob die Postsendung angekommen ist. Nach eigenem Vortrag war ihr bewusst, dass der Briefkasten unzuverlässig und unregelmäßig geleert wurde. Deshalb konnte sie schon zum Zeitpunkt des Einwurfs des Schriftstücks nicht von einer üblichen und zuverlässigen Beförderung ausgehen. Dieses erhöhte Risiko hat sich nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin auch tatsächlich realisiert.

Dadurch, dass sie dies nach eigenem Vortrag unterließ, hat sie schuldhaft die Fristversäumnis nicht erkannt (vgl. BGH NJW 1993, 1332). Das Wiedereinsetzungsgesuch ist demnach verspätet.

Nicht gehört werden kann der Antragsteller mit dem Vortrag, dass aufgrund der noch ausreichend zur Verfügung stehenden Frist von mehr als 14 Tage auch bei einer unregelmäßigen Leerung noch mit einem fristgerechten Eingang der Beschwerdebegründung beim Beschwerdegericht hätte gerechnet werden können.  Es ergab sich nicht nur das Risiko einer verzögerten Beförderung, sondern auch das Risiko, dass der Briefkasten entweder überhaupt nicht oder so unzuverlässig geleert wird, dass ein erhöhtes Verlustrisiko von Briefsendungen besteht.

Rechtsgrundlagen:
ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2, § 238

Gericht:
Oberlandesgericht Schleswig, Beschluss vom 20.10.2014 - 10 UF 105/14

OLG Schleswig
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