Geht keine gerichtliche Mitteilung ein, muss sich der Prozessbevollmächtigte, der eine Fristverlängerung beantragt hat, rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist - gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht - Gewissheit verschaffen. Die Nachfrage bei Gericht ist organisatorisch sicherzustellen.

Zur Sache

Die Beklagte hat wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und zur Begründung ausgeführt, dem Rechtsanwalt der Beklagten habe eine Mitteilung und Verfügung des Senats, dass die Berufungsbegründungsfrist lediglich bis zum 21. Januar 2014 verlängert worden sei, bis zum Ablauf der beantragten Fristverlängerung nicht vorgelegen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (VII ZB 15/14)

Die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beruht auf einem Verschulden des Rechtsanwalts der Beklagten, das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, so der BGH in seinem Beschluss (VII ZB 15/14).

Für die Kontrolle von Fristen bei Fristverlängerungsanträgen ist es erforderlich, dass das mutmaßliche Ende einer Berufungsbegründungsfrist bei oder alsbald nach Einreichung einer Berufungsschrift im Fristenkalender eingetragen wird. Spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung muss diese Eintragung überprüft werden, damit sichergestellt ist, dass keine hypothetische, sondern die wirkliche Frist eingetragen wird (BGH, Beschluss vom 28. Mai 2013 - VI ZB 6/13, NJW 2013, 2821 Rn. 9; Beschluss vom 24. November 2009 - VI ZB 69/08, MDR 2010, 401; Beschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 14/06; Beschluss vom 13. Dezember 2001 - VII ZB 19/01, BGH-Report 2002, 246, 247; Beschluss vom 14. Juli 1999 - XII ZB 62/99, NJW-RR 1999,1663, jeweils m.w.N.).

Wird die Handakte eines Rechtsanwalts allein elektronisch geführt, muss sie ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten Handakte entsprechen (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2014- XII ZB 709/13, MDR 2014, 1042 Rn. 13).

Geht keine gerichtliche Mitteilung ein, muss sich der Prozessbevollmächtigte, der eine Fristverlängerung beantragt hat, rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist - gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht - Gewissheit verschaffen (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2006·VI ZB 14/06; Beschluss vom 24. November 2009 - VI ZB 69/08, MDR 2010, 401). Auch die Nachfrage bei Gericht ist organisatorisch sicherzustellen.

Rechtsanwalt konnte keine Organisation seines Büros dargelegen

Eine solche Organisation seines Büros hat der Rechtsanwalt der Beklagten weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, gegen die die Rechtsbeschwerde keine durchgreifende Verfahrensrüge erhoben hat, hat der Rechtsanwalt der Beklagten keine Vorkehrungen getroffen, durch die sichergestellt wäre, dass der Eintrag des hypothetischen Endes der von ihm beantragten Fristverlängerung vor Fristende daraufhin überprüft wird, dass er mit der wirklichen Frist übereinstimmt. Dass und welche Vorkehrungen der Prozessbevollmächtigte der Beklagten getroffen hat, um eine Fristversäumnis zu vermeiden, hat die Beklagte nicht dargelegt.

Es fehlt insbesondere an einer organisatorischen Anweisung des Rechtsanwalts der Beklagten dahin, dass vor Ablauf der beantragten Fristverlängerung durch entsprechende Nachfrage bei Gericht das wirkliche Fristende in Erfahrung gebracht und in der Handakte vermerkt wird. Infolge dieses Organisationsverschuldens hat der Rechtsanwalt der Beklagten bei Vorlage der Akten übersehen, dass es sich bei der eingetragenen Berufungsbegründungsfrist um eine vom Gericht nicht bestätigte Fristverlängerung und damit eine hypothetische Frist gehandelt hat. Da bei entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen die Fristversäumnis durch eine Nachfrage bei Gericht vermieden worden wäre, beruht die Fristversäumung auf diesem der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbaren Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten.

Themenindex:
Anwaltshaftung, Organisationsverschulden, Fristversäumnis, Fristverlängerung

Rechtsgrundlagen:
ZPO § 85 Abs. 2, § 520 Abs. 2 Satz 3

Gericht:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.10.2014 - VII ZB 15/14

BGH
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Kündigungsschutzklage - Als der Arbeitnehmer seine Kündigung von seinem Arbeitgeber erhielt, ging er einen Tag später in das für ihn zuständige Gewerkschaftsbüro und gab dort die Unterlagen an eine Mitarbeiterin mit der Bitten, eine Klageerhebung in die Wege zu leiten. Urteil lesen

Eine Prozesspartei darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden. Schriftsätze müssen nicht zusätzlich per Telefax an das Gericht übersendet werden. Urteil lesen

Nach Urteil des AG Marburg verliert ein Rechtsanwalt seinen Anspruch auf eine Beratungsgebühr, wenn er trotz vorliegen, auch geringer Anhaltspunkte nicht darüber informiert, dass Beratungs- oder Prozesskostenhilfe möglich ist. Urteil lesen

Ein überfüllter ICE, ein dringendes Bedürfniss und keine freie Toilette. Ein Alptraum, der sich 2 Stunden hinzog, weil Toiletten wegen Wassermangels geschlossen waren. Ein Fahrgast klagte auf Schmerzensgeld und bekam Recht. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de