Die Daimler AG hatte erreichen wollen, dass der SWR eine erneute Ausstrahlung des in der Reportage "Hungerlohn am Fließband - Wie Tarife ausgehebelt werden" verwendete Bildmaterials unterlassen muss. Das LG Stuttgart hat die Klage der Daimler AG gegen den SWR abgewiesen.

Der Sachverhalt

Ein Journalist, der für den SWR tätig ist, hatte sich zum Zweck einer verdeckten Recherche bei einer Leiharbeitsfirma beworben. Diese entlieh ihn an ein weiteres Unternehmen, das mit der Daimler AG einen Werkvertrag über Logistik-Leistungen abgeschlossen hatte. So kam es zum Einsatz des Journalisten in einer Betriebshalle der Daimler AG in Stuttgart-Untertürkheim zur Verpackung von Zylinderköpfen.

Mit vier versteckten Kameras erstellte der Journalist während seiner Tätigkeit heimliche Videoaufnahmen und verwendete sie für die Reportage, die am 13.05.2013 im ARD-Programm "Das Erste" ausgestrahlt wurde.

Die Daimler AG vertrat die Auffassung, dass der SWR dieses Bildmaterial nicht ausstrahlen dürfe, weil dessen Beschaffung rechtswidrig gewesen sei, die Videoaufnahmen keine rechtswidrigen Verhaltensweisen wiedergeben würden und die Daimler AG durch die Ausstrahlung des Bildmaterials erheblich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt werde.

Das Urteil des Landgerichts Stuttgart (11 O 15/14)

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Herstellung der Videoaufnahmen zwar rechtswidrig gewesen sei, weil der Journalist das Hausrecht der Daimler AG verletzt habe. Die Daimler AG müsse jedoch die Ausstrahlung des Bildmaterials hinnehmen, weil die Reportage einem eindeutig überwiegenden öffentlichen Informationsinteresse diene.

Hausrecht der Daimler AG verletzt

Die Reportage habe darüber informiert, dass der Einsatz von Arbeitskräften im Rahmen sog. Werkverträge dazu führen könne, dass diese trotz gleichwertiger Arbeitsleistung und Eingliederung in den Produktionsprozess wesentlich niedrigere Löhne als die Stamm- und Leiharbeitnehmer des Unternehmens erhielten, die jedenfalls teilweise durch Leistungen der öffentlichen Hand ("Hartz-IV") aufgestockt werden müssten.

Überragendes öffentliches Informationsinteresse - Keine Unterlassung

Dies werde von weiten Kreisen der Bevölkerung als ein einschneidender Missstand wahrgenommen. Hinsichtlich dieses Missstandes bestehe ein überragendes öffentliches Informationsinteresse, demgegenüber die Nachteile, die aus der rechtswidrigen Informationsbeschaffung resultierten, zurücktreten müssten. Die Ausstrahlung des Videomaterials im Rahmen der Reportage sei daher nicht rechtswidrig gewesen, sondern durch die Meinungs- und Rundfunkfreiheit des SWR (Art. 5 GG) gerechtfertigt. Die Daimler AG könne daher keine Unterlassung der zukünftigen Ausstrahlung verlangen.

Gericht:
Landgericht Stuttgart, Urteil vom 09.10.2014 - 11 O 15/14

LG Stuttgart, PM
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