Kann ein Fachanwalt seine Fortbildungspflicht im Folgejahr nachholen und führt die einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht zwingend zum Widerruf der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung? Der BGH beschäftigte sich in seinem Beschluss mit diesen Fragen.

Der Sachverhalt

Einem Fachanwalt wurde mit Bescheid die Erlaubnis zum Führen der Bezeichnung "Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht" wegen Verletzung der Fortbildungspflicht nach § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO, §§ 15, 25 FAO widerrufen. Dagegen wehrt sich der Rechtsanwalt und stellt unter anderem die Frage, ob es dem betroffenen Rechtsanwalt grundsätzlich gestattet ist, zur Abwendung des Widerrufs die fehlenden Fortbildungen für die letzten drei zurückliegenden Jahre nachzuholen. Nach Auffassung des Klägers hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs  - AnwZ (Brfg) 76/13

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ( § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sah der Senat als nicht gegeben. Die Antragsbegründung beinhaltet lediglich die persönliche Auffassung des Klägers, ohne dass dieser auf Rechtsprechung und Literatur überhaupt eingeht, so der Senat. Insoweit bestehen auch in der Sache keine ernstlichen Zweifel an der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs.

Die Fortbildung des Fachanwalts

Nach § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO kann die Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden, wenn eine in der Berufsordnung vorgeschriebene Ausbildung unterlassen wird. § 15 FAO bestimmt hierzu, dass der Fachanwalt kalenderjährlich auf seinem Fachgebiet wissenschaftlich publizieren oder an anwaltlichen Fortbildungsveranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen muss. Mit der Verleihung und Führung der Fachanwaltsbezeichnung nimmt der Rechtsanwalt gegenüber dem rechtsuchenden Publikum eine im Vergleich zu anderen Anwälten besondere Qualifikation auf diesem Gebiet in Anspruch. Lediglich durch ständige fortlaufende Fortbildungen kann auch gewährleistet werden, dass Änderungen der Gesetzeslage und Rechtsprechung sowie neuere Literatur Einzug in die Beratung der Fachanwälte finden. Die Fortbildungspflicht dient insoweit der Sicherung eines einheitlichen Qualitätsstandards.

Fortbildungspflicht in jedem Kalenderjahr

Die Fortbildungspflicht ist in jedem Kalenderjahr aufs Neue zu erfüllen. Ob ein Fachanwalt Fortbildungsveranstaltungen im Mindesumfang besucht hat, steht erst nach Ablauf des jeweiligen Jahres fest, ändert sich dann aber auch nicht mehr. Ist ein Jahr verstrichen, kann er sich in diesem Jahr nicht mehr fortbilden. Mit dessen Ablauf steht die Verletzung der Fortbildungspflicht, die Tatbestandsvoraussetzung für die Befugnis der Rechtsanwaltskammer zum Widerruf ist, unumkehrbar fest. Eine die Verletzung der Fortbildungspflicht rückwirkend heilende "Nachholung" der Fortbildung im Folgejahr kommt deshalb nicht in Betracht.

Führt eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht zum Widerruf?

Eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht führt allerdings nicht zwingend zum Widerruf. Zwar ist die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer möglicherweise davon ausgegangen, dass bereits in diesem Fall ein Widerruf zu erfolgen hat; denn ein Antrag, den Widerruf erst vorzusehen, wenn die Fortbildungspflicht in zwei aufeinander folgenden Jahren nicht erfüllt wird, wurde einstimmig abgelehnt.

Gegenteiliges folgt aber aus dem Wortlaut des § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO ("kann") und daraus, dass ein Verständnis der Regelung in § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO, § 15 FAO als "Muss-Regelung" mit Art. 12 Abs. 1 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unvereinbar wäre.

Pflichtgemäße Ermessen über den Widerruf

Vielmehr entscheidet der Vorstand der Rechtsanwaltskammer nach pflichtgemäßem Ermessen über den Widerruf. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls - so z.B. eine aufgrund Erkrankung unverschuldete Versäumung der Fortbildung  zu berücksichtigen. Insoweit liegt es durchaus auch im Rahmen der pflichtgemäßen Entscheidung der Kammer, wenn sie - wie hier anfangs die Beklagte - bei der erstmaligen Verletzung der Fortbildungspflicht vom Widerruf zunächst absieht und dem Anwalt - hier allerdings erfolglos - die Möglichkeit gibt, durch verstärkte Fortbildung im laufenden Jahr eine Sanktionierung der einmaligen Pflichtverletzung im zurückliegenden Jahr zu vermeiden.

Rechtsgrundlagen:
BRAO § 43c Abs. 4 Satz 2; FAO § 15

Gericht:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.05.2014 - AnwZ (Brfg) 76/13

BGH
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