Die Überwachung des Hausflurs mit einem Video-Türspion verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Mitmietern und Dritten. Eine Überwachung des Hausflures, der Hauseingangstür oder anderer gemeinschaftsbezogener Flächen ist grundsätzlich unzulässig.

Der Sachverhalt

Wie das AG München mitteilt (Az. 413 C 26749/13), brachte eine Münchnerin an der Eingangstür ihrer im Erdgeschoß liegenden Etagenwohnung einen elektrischen Video-Türspion an, da sie Angst vor ihren Etagennachbarn hatte. Der Türspion funktionierte der Gestalt, dass er tagsüber im „Live-Modus“ das Geschehen im Hausflur im Bereich unmittelbar vor der Wohungseingangstür auf einen in der Wohnung befindlichen Bildschirm überträgt, aber keine Aufnahmen fertigt.

In der Nacht ist das Gerät auf „Automatikmodus“ geschaltet, wodurch bei Aktivierung des Bewegungsmelders die Videokamera auslöst und das Geschehen im Flur/Treppenhaus im Bereich vor der Wohnungseingangstür der Beklagten aufzeichnet und speichert. Diese Aufnahmen können dann auf dem Bildschirm in der Wohnung oder einem PC angesehen werden. Die beklagte Münchnerin sichtete morgens die Aufnahmen der vorangegangenen Nacht und löschte diese, sofern nichts Verdächtiges festgestellt wurde.

Videokamera wurde von Vermieterin entdeckt

Die Kamera wurde Anfang April 2013 von der Vermieterin bei einer Hausbegehung entdeckt. Die Mieterin wurde aufgefordert, die Kamera zu entfernen, da die Überwachung des Hauseingangs durch die Kamera einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mitmieter und Besucher darstelle.

Die Mieterin war der Meinung, zum Einbau und Betrieb des Türspions berechtigt zu sein, da sie Angst von ihren Nachbarn habe, mit denen sie sich seit Jahren im Streit befinde. Da sie sich weigerte, die Kamera abzubauen, wurde sie von der Vermieterin auf Entfernung der Videokamera verklagt.

Das Urteil des Amtsgerichts München (Az. 413 C 26749/13)

Die zuständige Richterin gab der Vermieterin Recht. Die Vermieterin kann Beseitigung verlangen, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Mitmietern oder Dritten verletzt ist und dieser Eingriff nicht gerechtfertigt ist. Hierzu ist eine Interessenabwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der Mitmieter und Dritten und dem Schutzinteresse der Vermieterin einerseits und dem Eigentumsrecht und Überwachungsinteresse der beklagten Mieterin andererseits vorzunehmen.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 GG gibt dem einzelnen einen Anspruch auf Achtung der individuellen Persönlichkeit auch gegenüber einer Privatperson. Es umfasst auch die Freiheit vor unerwünschter Kontrolle oder Überwachung durch Dritte, insbesondere in der Privat- und Intimsphäre im häuslichen und privaten Bereich. Dies beinhaltet für die Mitmieter nicht nur die Freiheit, die Wohnung oder das Haus zu verlassen oder zu betreten, ohne dass ein Mitmieter dies stets überwacht und jederzeit feststellen kann. Es beinhaltet darüber hinaus auch das Recht, ungestört und nicht überwacht Besuch zu empfangen.

Hier wurde die Privatsphäre der Mitmieter und Besucher verletzt, da die Videoüberwachung und insbesondere die Videoaufzeichnung in der Nacht im häuslichen Bereich stattfand. Eine Überwachung des Hausflures, der Hauseingangstür oder anderer gemeinschaftsbezogener Flächen ist grundsätzlich unzulässig, da diese Bereiche allgemein zugänglich sind und nicht dem alleinigen Hoheitsbereich der beklagten Mieterin unterstehen oder ihrem alleinigen Hausrecht unterfallen. Denn die Mitmieter und Besucher, die berechtigt den Flur bzw. das Treppenhaus betreten, werden per Video aufgenommen. Da die beklagte Mieterin im Erdgeschoss des Anwesens wohnt, müssen die übrigen Mitmieter bzw. deren Besucher an ihrer Wohnungseingangstür vorbei, um zu ihren Wohnungen zu gelangen. Somit werden sie, unabhängig von ihrem Verhalten, nachts gefilmt und die Aufnahmen werden gespeichert. Die Beklagte entscheidet allein, ob die Aufnahmen gelöscht werden oder nicht. Dies stellt eine massive Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mitmieter und Besucher dar.

Das Gericht stellt weiter fest, dass dieser Eingriff ist auch nicht gerechtfertigt war wegen der Streitigkeiten mit den Nachbarn. Eine Überwachung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Überwachung zur Abwehr unmittelbar bevorstehender Angriffe auf die Person der Mieterin notwendig war bzw. ist und dieser Gefahr nicht anders begegnet werden kann.

Die Fertigung und Speicherung von Aufnahmen erfolgte völlig unabhängig von dem Verhalten der gefilmten Person. Die beklagte Mieterin habe andere Möglichkeiten gehabt, etwaigen Angriffen bzw. Streitigkeiten mit den Nachbarn zu begegnen. Bei gravierenden Vorfällen bleibe es ihr unbenommen, die Polizei einzuschalten. Sofern es sich um weniger schwerwiegende Vorfälle handele, bleibe es der Beklagten unbenommen, sich selbst so zu verhalten, dass die Situation nicht eskaliert.

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 04.12.2013 - 413 C 26749/13

AG München, PM 19/14
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