Über die Entschädigungspflicht des Staates wegen Menschenwürdeverletzungen darf nicht ohne Weiteres bereits im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten.

In Fällen der Menschenwürdeverletzung bedarf die Ablehnung einer Geldentschädigung in der Regel einer Prüfung und Abwägung im gerichtlichen Erkenntnisverfahren, da die Schwelle zur Entschädigungspflicht generell niedriger anzusetzen ist als bei bloßen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Für die konkret vorliegende Konstellation fehlt es an obergerichtlicher Rechtsprechung, die für die Begründung der Ablehnung hätte herangezogen werden können.

Der Sachverhalt

Der Beschwerdeführer, der eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes mit anschließender Sicherungsverwahrung verbüßt, wurde im November 2009 wegen plötzlich auftretender krampfartiger Schmerzen im Unterleib von mehreren Justizvollzugsbediensteten in eine Klinik verbracht. Ihm wurden dabei Hand- und Fußfesseln angelegt, die auch während der Behandlung in der Klinik nicht abgenommen wurden. Im Beisein der Justizvollzugsbediensteten und von Polizeibeamten wurden ihm im Behandlungszimmer mehrere Einläufe verabreicht. Dabei wurde ihm nicht gestattet, im Anschluss daran die im Behandlungszimmer befindliche fensterlose Toilette aufzusuchen. Vielmehr musste er seine Notdurft im Beisein der Beamten im Behandlungszimmer auf einem Toilettenstuhl verrichten.

Die Strafvollstreckungskammer stellte rechtskräftig fest, dass die Sicherungsmaßnahmen, insbesondere die fortdauernde Fesselung des Beschwerdeführers anlässlich des Krankenhausaufenthaltes, rechtswidrig waren.

Zur Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Prozesskostenhilfe. Diesen Antrag lehnten Land- und Oberlandesgericht mangels hinreichender Erfolgsaussicht ab. Die Fesselung habe zwar einen erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und auch in die Menschenwürde des Beschwerdeführers dargestellt; dieser sei jedoch durch die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer auch ohne Geldentschädigung hinreichend ausgeglichen.

Die Entscheidung

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet. Die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und ist daher aufzuheben.

Es läuft dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, wenn ein Fachgericht das Zivilprozessrecht dahingehend auslegt, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren „durchentschieden“ werden können. Dies ist der Fall, wenn Prozesskostenhilfe für eine maßgeblich von einer Einzelfallbetrachtung abhängige, von der Rechtsprechung noch nicht geklärte Entschädigungsfrage wegen einer - vom Fachgericht selbst als gegeben erachteten - Menschenwürdeverletzung versagt wird.

Zwar ist in der fachgerichtlichen Rechtsprechung abstrakt geklärt, dass auch bei Verletzungen der Menschenwürde nicht in jedem Falle eine Wiedergutmachung durch Geldentschädigung auszugleichen ist. Zur Frage, wann eine Entschädigungspflicht besteht, gibt es jedoch noch keine obergerichtliche Rechtsprechung, die vorliegend zur abschließenden Bewertung bereits im summarischen Verfahren herangezogen werden könnte. Diese Prüfung in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlegen und damit eine bloß summarische Prüfung an die Stelle des Erkenntnisverfahrens treten zu lassen überspannt die Anforderungen an die Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in Fällen der Menschenwürdeverletzung die entschädigungspflichtige Erheblichkeitsschwelle niedriger als bei bloßen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusetzen ist.

Gericht:
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.12.2013 - 1 BvR 2531/12

BVerfG, PM Nr. 5/2014
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