Um einen lückenlosen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellen Übergriffen zu gewährleisten, soll der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen des § 174 StGB erweitert werden.

Hintergrund der Gesetzesänderung

Im Dezember 2011 hatte das Oberlandesgericht Koblenz einen Lehrer vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen freigesprochen, der von den beiden Vorinstanzen wegen sexueller Handlungen zum Nachteil einer vierzehnjährigen Schülerin derselben Schule verurteilt worden war. Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, dass im konkreten Fall nicht das für eine Verurteilung erforderliche Obhutsverhältnis vorgelegen habe. Da es sich nicht um den Klassen- oder Fachlehrer des Mädchens, sondern nur um einen Vertretungslehrer ohne weitergehende Einwirkungsmöglichkeiten gehandelt habe, sei ihm die Schülerin nicht anvertraut gewesen.

Der Bundesgerichtshof hat im April 2012 - auf der Linie des Oberlandesgerichts Koblenz - festgestellt, dass sexueller Missbrauch von Lehrkräften an Schülern derselben Schule nur unter engen Voraussetzungen strafbar ist. An größeren Schulen werde ein Obhutsverhältnis nicht bereits durch die Zugehörigkeit von Lehrer und Schüler zu derselben Schule begründet. Nur bei einem aktuellen Klassen- oder Fachlehrer könne ohne weitere Prüfung von einem Anvertrautsein der von ihm unterrichteten Schülerinnen und Schüler ausgegangen werden. Bei Vertretungsunterricht und sonstigen Betreuungen außerhalb des regulären Unterrichts verstehe sich dies nicht von selbst, vielmehr komme es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalles an.

Die Erweiterung des § 174 StGB

Die einschlägigen Tatbestände im Strafgesetzbuch - Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen, § 174 StGB - soll so erweitert werden, dass bei Erziehungsverhältnissen bereits ein tatsächliches Über-Unterordnungsverhältnis ausreichend ist, innerhalb dessen sexuelle Handlungen im Rahmen der bisherigen Schutzaltersgrenzen strafbar sind. Ein "Anvertrautsein", das nach der Rechtsprechung die (Mit-)Verantwortung auch für die Persönlichkeitsbildung im Ganzen einschließlich der sittlichen Entwicklung der Schutzbefohlenen erfordert, soll danach in diesen Fällen nicht mehr erforderlich sein. Das bedeutet konkret, dass künftig alle Lehrkräfte einer Schule in den strafrechtlichen Tatbestand unabhängig davon einbezogen werden, ob die Schülerin oder der Schüler ihnen persönlich anvertraut worden ist. Diese Änderung erfasst dann gleichermaßen Betreuungs- und Aufsichtspersonen in Jugendheimen oder etwa Internaten, wo ebenfalls Über-Unterordnungsverhältnisse zu ähnlichen Abhängigkeiten mit denselben Auswirkungen auf die Fähigkeit zu sexuellen Selbstbestimmung führen können.

Justizminister Jochen Hartloff hat heute in Mainz die CDU-Fraktion darauf hingewiesen, dass sein Ministerium schon einen Gesetzesvorschlag zur Veränderung des § 174 StGB erarbeitet hat. "Es liegt ein fertiger Vorschlag vor, der Schülerinnen und Schüler vor sexuellen Missbrauch durch Lehrkräfte ihrer Schule künftig wirksamer schützt. Dieser ist bislang nicht dem Bundesrat zugeleitet worden, da er bei der alten Bundesregierung und der damaligen Zusammensetzung des Bundestages keine Aussicht auf Erfolg hatte. Die - Kritik - der CDU-Fraktion, dass die Landesregierung nicht handele und man deshalb erneut einen eigenen Antrag beschlossen habe, ist Aktionismus pur und zeigt wieder einmal die fehlende Seriosität und Unkenntnis bei einem so bedeutenden Thema, welches uns allen eigentlich wichtig sein sollte."

Zuständig für eine solche Gesetzesänderung ist der Bund. Die frühere Bundesjustizministerin der FDP, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, hatte in ihrer Amtszeit mehrfach signalisiert, dass sie und die FDP-Fraktion eine Gesetzesänderung nicht mittragen würden. "Deshalb ist dieses Thema in den Koalitionsverhandlungen eingespeist worden. Dies gilt es jetzt umzusetzen. Über die konkreten nächsten Schritte bin ich im persönlichen und intensiven Austausch mit dem Bundesjustizminister."

Quelle: Justiz in Rheinland-Pfalz
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