Insbesondere bei sexuellem Missbrauch in der Jugend gehen Zweifel, ob schon vor der Gewalttat Krankheitsanzeichen bestanden haben (sog. Vorschäden), nicht zu Lasten der Opfer. 

Nach Urteil des Landessozialgerichts genüge für eine Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG), dass die Krankheit in engem Anschluss an den belastenden Vorgang ausgebrochen ist und später keine Umstände hinzugekommen sind, die diesen Vorgang als unwesentlich für die aktuell bestehenden Beschwerden erscheinen lassen.

Der Sachverhalt

Die Klägerin war im Alter zwischen 8 und 14 mehrfach von einem Onkel, einem Großvater und einem Nachbarn sexuell missbraucht worden.

Dadurch entstanden eine posttraumatische Belastungsstörung und depressive Erkrankungen. Diese verstärkten sich beim Tod des Vaters und der späteren Trennung von ihrem Ehemann.

Zudem durchlebte die Klägerin belastende Erfahrungen mit einer Sekte. Während das beklagte Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Präsidenten des zuständigen Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung, davon ausging, dass es sich bei den späteren Ereignissen um sogenannte schädigungsunabhängige Nachschäden handele, die einen eigenständigen Anteil an der bestehenden Krankheit haben, ist das Landessozialgericht dem nicht gefolgt.

Die Entscheidung

Im Hinblick darauf, dass es sich nicht um Nachschäden von solchem Gewicht gehandelt habe, dass sie die ursprünglichen Gewalttaten als unwesentlich erscheinen lassen und zudem teilweise sogar mit den früheren traumatischen Erlebnissen verknüpft waren (Vater und Ehemann als stabilisierende Faktoren), wurden alle Krankheitsanteile als Schädigungsfolge angesehen. Hierfür war eine entsprechende Versorgung zu gewähren.

Gericht:
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.03.2013 - L 4 VG 11/11

LSG RLP, PM Nr. 10/2013
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