Nach Urteil des AG Marburg verliert ein Rechtsanwalt seinen Anspruch auf eine Beratungsgebühr, wenn er trotz vorliegen, auch geringer Anhaltspunkte nicht darüber informiert, dass Beratungs- oder Prozesskostenhilfe möglich ist.

Der Sachverhalt

Ein Mandantin beauftragte einen Rechtsanwalt zur Beratung einer familienrechtlichen Angelegenheit. Hierbei stellte sich heraus, dass die Mandantin nur geringes Einkommen bezog. Unstreitig ist auch, dass der Anwalt bei dem Beratungsgespräch nicht über die Möglichkeiten der Beratungshilfe oder der Prozesskostenhilfe beriet oder informierte. Die Rechtsanwaltsgebühren lehnte die Mandantin ab. Der Anwalt klagte.

Das Urteil des Amtsgerichts Marburg

Aus dem Urteil: [...] Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten über die Möglichkeit der Beratungs- oder Prozesskostenhilfe zu beraten, es sei denn, anhand der äußeren Umstände ist für den Rechtsanwalt erkennbar, dass Beratungs- oder Prozesskostenhilfe für den Mandanten nicht in Betracht kommt (vgl. hierzu auch: OLG Düsseldorf, AnwBl. 1984, 444; Kalthoener/Büttner, 3. Auflage 2003, Rd-Nr. 925 m. w. N.).[...]

Dem Rechtsanwalt muss es offensichtlich gewesen sein, dass die beklagte Mandantin finanziell nicht gut gestellt war. Die Mandantin habe zwar im Beratungsgespräch angegeben, es gebe ein Konto ihres Mannes in Höhe von 12000 Euro, dann hätte aber der Anwalt nachfragen müssen, ob die Beklagte für dieses Konto zugangsberechtigt ist. 

Im Beratungsgespräch wurde schon dieses Konto mit einbezogen und das die Mandantin einen etwaigen Zugewinnausgleichsanspruch gegen ihren Ehemann hätte. Dieser lag aber in der Zukunft und war ungewiss. Mögliche zukünftige Ansprüche, die sich nicht ohne Gericht oder Rechtsanwalt unmittelbar realisieren lassen, dürfen aber für die Bewertung, ob über Beratungs- und Prozesskostenhilfe zu beraten ist, nicht herangezogen werden.

Der Rechtsanwalt hätte anhand des ehemalig gewährten Beratungshilfescheins und der sonstigen Vermögenssituation der Beklagten diese auf die Möglichkeit hinweisen müssen, auch für den vorliegenden Fall Beratungshilfe beantragen zu können. Das Gericht sah ein Fehlverhalten in der Beratung.

Rechtsgrundlagen:
§ 670 BGB, § 675 BGB

Gericht:
Amtsgericht Marburg, Urteil vom 06.02.2012 - 9 C 883/11

Quelle: AG Marburg
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