Vor dem Hintergrund des Amoklaufs in Winnenden, wenden sich die Beschwerdeführer gegen das geltende Waffengesetz. Sie rügen eine Verletzung ihres Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Die Verfassungsbeschwerden wurden nicht angenommen.

Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat drei Verfassungsbeschwerden gegen das geltende Waffengesetz, mit denen die Beschwerdeführer eine Verletzung staatlicher Schutzpflichten rügen, nicht zur Entscheidung angenommen.

Nach den veröffentlichten Beschlüssen verletzt das Gesetz die Beschwerdeführer nicht in ihren Grundrechten. Dem Gesetzgeber kommt bei der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Pflicht, das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bürger zu schützen, ein weiter Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum zu. Seine Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, kann nur begrenzt nachgeprüft werden. Ein grundrechtlicher Anspruch der Beschwerdeführer auf weitergehende Maßnahmen würde die - vorliegend nicht zu treffende - Feststellung voraussetzen, dass die geltenden Regelungen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären.

Der Sachverhalt

Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer - vor dem Hintergrund des Amoklaufs eines ehemaligen Schülers in Winnenden - gegen das geltende Waffengesetz. Sie rügen eine Verletzung ihres Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) dadurch, dass das Waffengesetz tödliche Schusswaffen für den Schießsport erlaubt bzw. deren Gebrauch nicht ausreichend einschränkt.

Das Waffengesetz habe in den vergangenen Jahren keinen ausreichenden Schutz vor diversen Mordserien mit privaten legalen Waffen geboten. Dies stelle ein verfassungswidriges Unterlassen des Gesetzgebers dar. Die Verschärfungen des Waffenrechts nach den Ereignissen von Winnenden seien nicht geeignet, solche Vorkommnisse künftig zu verhindern oder auch nur wesentlich zu erschweren.

Die Entscheidung

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen. Die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Vorgaben sind geklärt. Zudem haben die Verfassungsbeschwerden, selbst wenn man Zulässigkeitsbedenken zurückstellt, keine Aussicht auf Erfolg.

Aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ist auch eine Schutzpflicht des Staates und seiner Organe abzuleiten, deren Vernachlässigung von den Betroffenen grundsätzlich mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann. Eine solche Schutzpflicht besteht auch hinsichtlich der Missbrauchsgefahren, die vom Umgang mit Schusswaffen ausgehen. Die Entscheidung, welche Maßnahmen geboten sind, kann jedoch nur begrenzt nachgeprüft werden. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung der Schutzpflicht daher nur dann feststellen, wenn die öffentliche Gewalt Schutzvorkehrungen überhaupt nicht getroffen hat oder die ergriffenen Maßnahmen gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen.

Nach diesem Maßstab können die einschlägigen Vorschriften des Waffengesetzes von Verfassungs wegen nicht beanstandet werden.

  1. Das Schutzkonzept des Waffengesetzes beruht im Kern auf der Erlaubnispflichtigkeit des Umgangs mit Schusswaffen, soweit dieser nicht gänzlich verboten ist. Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis sind grundsätzlich die Volljährigkeit des Antragstellers, dessen Zuverlässigkeit und persönliche Eignung sowie der Nachweis der erforderlichen Sachkunde und eines Bedürfnisses. Den mit der Verfassungsbeschwerde besonders gerügten Erwerb und Besitz von großkalibrigen Schusswaffen durch Sportschützen hat der Gesetzgeber an das Erreichen eines erhöhten Mindestalters von 21 Jahren geknüpft. Verstöße gegen die Erlaubnispflicht sind mit Strafe bedroht. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber ein ebenfalls strafbewehrtes Verbot der Überlassung von Waffen oder Munition an nicht berechtigte Personen statuiert sowie eine sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition angeordnet. Verstöße gegen die Aufbewahrungsvorschriften hat er allgemein als Ordnungswidrigkeiten und unter verschärften Voraussetzungen als Straftat sanktioniert. Einzelne Vorschriften aus den skizzierten Normkomplexen hat der Gesetzgeber erst als Reaktion auf die Amokläufe von Erfurt und Winnenden eingeführt oder verschärft.

  2. Bei dieser Rechtslage lässt sich weder feststellen, dass die öffentliche Gewalt überhaupt keine Schutzvorkehrungen gegen die von Schusswaffen ausgehenden Gefahren getroffen hat, noch, dass offensichtlich die getroffenen Regelungen und Maßnahmen in ihrer Gesamtheit gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären, um die Allgemeinheit vor den Gefahren des missbräuchlichen Umgangs mit Schusswaffen zu schützen. Angesichts des dem Gesetzgeber bei der Erfüllung seiner Schutzpflichten zukommenden weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums steht den Beschwerdeführern ein grundrechtlicher Anspruch auf weitergehende oder auf bestimmte Maßnahmen

Gericht:
Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 23.02.2013 - 2 BvR 1645/10, 2 BvR 1676/10, 2 BvR 1677/10

BVerfG, PM Nr. 8/2013
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