Suchen Eheleute gemeinsam einen Rechtsanwalt auf, um sich in ihrer Scheidungsangelegenheit beraten zu lassen, hat der Rechtsanwalt vor Beginn der Beratung auf die gebühren- und vertretungsrechtlichen Folgen einer solchen Beratung hinzuweisen, so das Urteil des BGH.

Der Sachverhalt

Ein Ehepaar suchte eine Rechtsanwältin zu einer anwaltlichen Beratung in einer Scheidungsangelegenheit auf. Zu Beginn des Gesprächs ergab sich, dass die Eheleute unterschiedliche Vorstellungen über die Modalitäten der Trennung und der Scheidung hatten.

Wunschgemäß versandte die Rechtsanwältin das Protokoll über das Beratungsgespräch an beide. Die Ehefrau mandatierte daraufhin andere Anwälte. Nachdem die Rechtsanwältin weiterhin für den Beklagten tätig geworden war, kündigte dieser ebenso das Mandat. Die Rechtsanwältin rechnete ihre Leistungen in Höhe von 1.811, 36 € gegenüber dem Mann ab. Dieser beglich die Rechnung nicht und beauftragte ebenfalls andere Anwälte mit der Vertretung seiner familienrechtlichen Interessen. Die Rechtsanwältin verlangt von dem Mann den berechneten Betrag und erhob Klage.

Die Entscheidung

In Scheidungsverfahren kommt es häufig vor, dass sich die scheidungswilligen Eheleute in der Annahme völligen Interessengleichklangs und der Absicht, die Kosten für einen zweiten Anwalt zu sparen, gemeinsam durch einen Anwalt beraten lassen.

Wenn jedoch die gemeinsame Beratung der Eheleute nicht zu der beabsichtigten Scheidungsfolgenvereinbarung führt und es trotz anfänglicher Übereinstimmungen während der anwaltlichen Beratung zu einem Interessenwiderstreit kommt, darf der Rechtsanwalt für keinen der beiden Ehepartner mehr tätig werden.

Der Anwaltsvertrag ist zwar bis zum Erkennbarwerden des Interessenwiderstreits wirksam und die geltend gemachte Vergütung im Grundsatz verdient, die Rechtswanwältin könne trotzdem die geltend gemachten Gebühren nach § 242 BGB nicht verlangen, weil dem Beklagten in diesem Fall in Höhe der Gebührenforderung aus dem Anwaltsvertrag in Verbindung mit § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen die Rechtsanwältin zusteht.

Darauf muss der Rechtsanwalt hinweisen:

Die Rechtsanwältin hätte den Beklagten und seine Ehefrau vor der gemeinsamen Beratung darauf hinweisen müssen, dass ein Anwalt im Grundsatz nur einen von ihnen beraten kann, dass sie bei einer gemeinsamen Beratung nicht mehr die Interessen einer Partei einseitig vertreten darf, sondern sie die Eheleute nur unter Ausgleich der gegenseitigen Interessen beraten kann, und dass sie jedenfalls dann, wenn die gemeinsame Beratung nicht zu einer Scheidungsfolgenvereinbarung führt und widerstreitende Interessen der Eheleute unüberwindbar aufscheinen, das Mandat gegenüber beiden Eheleuten niederlegen muss mit der Folge, dass beide Eheleute neue Anwälte beauftragen müssen, so dass ihnen Kosten nicht nur für einen, sondern für drei Anwälte entstehen.

Weiter hätte sie die Eheleute darüber belehren müssen, dass sie möglicherweise auch dann, wenn die Eheleute eine Scheidungsfolgenvereinbarung treffen, einen der Eheleute im Scheidungsverfahren zur Stellung des Scheidungsantrags nicht vertreten kann, die Eheleute danach auch im Fall der einvernehmlichen Scheidung die Kosten für zwei Anwälte tragen müssen, weil diese Frage richterlich noch nicht geklärt ist. Diese Belehrungen hat die Klägerin dem Beklagten und seiner Ehefrau pflichtwidrig nicht erteilt.

Oftmals entstehen gegenläufige Interessen

Scheidungswillige Eheleute denken oft nicht daran, dass ihre Interessen gegenläufig sein können, weil ihnen die gegenseitigen Rechte unbekannt sind. Sie vertrauen darauf, dass der sie gemeinsam beratende Rechtsanwalt das Beste für sie herausholt, ohne sich klar zu machen, dass dieser in einer gemeinsamen Beratung bei gegenläufigen Interessen dazu nicht in der Lage sein wird. Zudem ist ihnen die Gefahr unbekannt, dass der Anwalt, der sie gemeinsam berät, unter Umständen das Mandat gegenüber beiden niederlegen muss, und dass auf sie zusätzliche Anwaltskosten zukommen können.

Hätte die Rechtsanwältin dem Beklagten und seiner Ehefrau die erforderlichen Hinweise erteilt, spricht eine Vermutung dafür, dass diese sich nicht gemeinsam von ihr hätten beraten lassen. Vielmehr hätte sich der Beklagte allein von ihr beraten und vertreten lassen. Infolge der unterlassenen Hinweise ist dem Beklagten auch der Schaden in Höhe der Gebührenforderung der Rechtsanwältin entstanden.

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.09.2013 - IX ZR 322/12

BGH
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