Bei Ausstellung von Gutachten und Attesten muss erkennbar sein, auf welchem Weg der Arzt zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist. Die Aussagen über eine Person, die der Arzt nie gesehen hat, verstoßen gegen diesen Grundsatz.

Der Sachverhalt

Ein geschiedener Vater suchte eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie auf. Bei seinen Besuchen berichtete er von Problemen aufgrund seiner Scheidung und eines Sorgerechtsstreits. Er betonte vor allem, dass er an der Erziehung der Kinder beteiligt werden wolle. Der Ärztin legte er ein Gutachten vor, das im Rahmen des Sorgerechtsstreits über ihn und seine geschiedene Frau erstellt worden war. Dieses schlug unter anderem vor, den Umgang des Vaters mit den Kindern vorläufig zu reduzieren und der Mutter das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Hinsichtlich der Mutter waren einige Anregungen und Ratschläge enthalten, um deren Erziehungssituation zu verbessern.

Auf Wunsch des Vaters stellte die Ärztin ihm ein Attest aus, wonach seine geschiedene Ehefrau "eigentlich" nicht in der Lage erscheine, ihre mütterlichen Aufgaben zu erfüllen. Ihr fehlten die elementaren Eigenschaften zu einer angemessenen Erziehung der Kinder. Die Ärztin sagte später, dass es sich dabei lediglich um eine Vermutung gehandelt habe.

Die Entscheidung

Die Richter sahen einen Verstoß gegen die Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung. Dem Attest mangele es schon deshalb an der nötigen Sorgfalt, weil die Ärztin nicht dargelegt habe, aus welcher Quelle sie ihre Kenntnisse bezogen habe. Auch habe sie nicht darauf hingewiesen, dass sie die im Attest beschriebene Frau gar nicht kenne und daher über kein eigenes Wissen über diese verfüge.

Ferner habe die Ärztin auch gegen die Berufspflicht, die ärztliche Überzeugung nach bestem Wissen auszusprechen, verstoßen. Sie habe aus dem Gutachten zu beiden Elternteilen einzelne Äußerungen zulasten der Mutter herausgegriffen, sodass die Aussagen des Gutachtens unausgewogen und inhaltlich verfälschend wiedergegeben seien. Das Gericht verurteilte sie zu einer Geldbuße von 500 Euro und erteilte einen Verweis.

Gericht:
Verwaltungsgericht Gießen, 15. Februar 2011 - 21 K 1582/10.GI.B

Quelle: www.arge-medizinrecht.de
Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV)
Redaktion Rechtsindex

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