Berufsunfähigkeit – „Nur“ Schmerzen zu haben reicht nicht aus! Schmerzen müssen bewiesen werden!

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Das OLG Karlsruhe urteilte zur Feststellung einer mit andauernden und heftigen Schmerzen begründeten Berufsunfähigkeit. Dabei stellte das Gericht heraus, dass Schmerzen allein nicht ausreichen, um einen Versicherer zur Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente zu bringen. Die Schmerzen müssen nachgewiesen werden und objektivierbar sein. (OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.9.2016, Az. 12 U 79/16)

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger schloss 2008 bei der Beklagten eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Seit 2009 war der Kläger als Fahrer und Lagerist angestellt. 2011/2012 traten beim Kläger verstärkt Rücken- und Schulterschmerzen auf. Der behandelnde Orthopäde attestierte dem Kläger am 19.11.2012, dass dieser aufgrund orthopädischer Erkrankungen nicht mehr in der Lage sei, seinen Beruf auszuüben. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber des Klägers diesem aus gesundheitlichen Gründen zum 31.01.2013. Der Kläger übte seinen bisherigen Beruf noch bis zum 18.12.2012 aus. Vom 31.01.2013 bis 24.01.2014 absolvierte er eine Ausbildung zum CNC-Anwender. Seit dem 01.02.2014 arbeitet der Kläger in diesem Beruf.

Der Kläger beantragte sodann Berufsunfähigkeitsleistungen bei der Beklagten und behauptet, er sei spätestens seit dem 19.12.2012 bedingungsgemäß berufsunfähig, da er aufgrund orthopädischer Erkrankungen nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine bisherige Tätigkeit auszuüben.

Diese Leistungen lehnte die Beklagte ab und erklärte die Anfechtung des Vertrages und trat hilfsweise vom Vertrag zurück. Darüber hinaus bestritt die Beklagte das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit.

Der Kläger begehrte so dann erstinstanzlich die Feststellung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeitsversicherung sowie die Zahlung der Versicherungsleistung für den Zeitraum Januar 2013 bis Januar 2014 (nebst Zinsen und Anwaltskosten). Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme dem Feststellungantrag stattgegeben, die Zahlungsklage jedoch abgewiesen:

„Dem Kläger sei der Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht gelungen. Der orthopädische Sachverständige habe die Schmerzen nicht objektivieren, insbesondere nicht auf eine orthopädische Erkrankung zurückführen können. Psychische Ursachen für die Schmerzen mache der Kläger nicht geltend. Eine anderweitige Ursache sei weder vorgetragen noch ersichtlich.“

Mit der Berufung vor dem OLG Karlsruhe hat der Kläger seinen Zahlungsantrag weiterverfolgt. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 11.03.2016 (Az. 10 O 326/14) wurde jedoch zurückgewiesen.

Die rechtliche Würdigung des OLG Karlsruhe:

„Der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis für das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nicht geführt.“

Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass als Krankheit im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung auch Schmerzen, deren Ursache sich nicht klären lässt, in Betracht kommen. Es stellt sich jedoch das Problem der Beweisbarkeit, da es sich bei Schmerzen und deren Ausmaß um subjektive Empfindungen handelt. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Feststellung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 ABB über das Vorliegen einer Krankheit und einer damit verbundenen Unfähigkeit zur Berufsausübung hinaus eine dauerhaft ungünstige Prognose erfordert, die bei unklaren Schmerzen entsprechend erschwert ist. Gegebenenfalls kommt eine vermutete Berufsunfähigkeit nach § 2 Abs. 3 ABB in Betracht, wenn die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren bisherigen Beruf auszuüben.

Vorliegend hätte der Kläger beweisen müssen, dass die Schmerzen nach ihrem Ausmaß einer Berufsausübung entgegenstanden und entweder prognostisch eine dauerhafte Berufsunfähigkeit erwarten ließen oder dieser Zustand zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten ununterbrochen andauerte. Das hat sich nicht objektivieren und damit auch nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lassen.

Praktische Bedeutung dieses Urteils:

Die rechtliche Herangehensweise des OLG und des LG ist nachvollziehbar und birgt keine neuen Erkenntnisse. Jedoch wird wieder einmal deutlich, wie schwierig es für den Versicherten ist, bei „Schmerzproblemen“ Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu erhalten. Der Versicherte ist in der Beweislast für den Eintritt des Versicherungsfalls, also der Berufsunfähigkeit. Dieses ist eine große Hürde, zumal Schmerzen kaum objektivierbar sind, da sie meist nur subjektiv empfunden werden.

Den Nachweis, dass subjektiv empfundene Schmerzen objektiv die Annahme der Berufsunfähigkeit rechtfertigen, kann der Versicherungsnehmer im Wesentlichen auf zwei Wegen führen, nämlich entweder durch den Nachweis körperlicher (vorliegend insbesondere orthopädischer oder neurologischer) Ursachen oder durch den Nachweis psychischer bzw. psychosomatischer Bedingtheit, die ihrerseits Krankheitswert aufweisen kann, wie insbesondere eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung. Der Nachweis körperlicher Ursachen war dem Kläger hier nicht gelungen, psychische Ursachen hatte er nicht geltend gemacht.

Vor diesem Hintergrund ist den Versicherten anzuraten, sich frühzeitig von spezialisierten Rechtsanwälten für Berufsunfähigkeitsangelegenheiten Rat einzuholen, damit im Vorfeld ein gerichtliches Verfahren gut vorbereitet wird.

Bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung ist die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte gern Ihr Ansprechpartner und steht Ihnen unterstützend zur Seite. Wir blicken auf eine Vielzahl von BU-Fällen zurück und können Ihnen mit unserer Erfahrung dienen. Gerne setzen wir uns für Sie ein!

Die Kanzlei Jöhnke & Reichow steht Ihnen gerne für jegliche Rückfragen zur Verfügung.

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke

Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB



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