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Minutenlanges Warten an roter Ampel: Darf man einfach fahren?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Wer kennt das Problem nicht: Man steht an einer roten Ampel, die einfach nicht grün werden will. Da kommt bei vielen Fahrzeugführern irgendwann doch der Verdacht auf, dass die Ampel nicht richtig funktioniert. Muss man trotzdem stehenbleiben oder ist es erlaubt, nach einer angemessenen Wartezeit über die rote Ampel zu fahren? Und was passiert, wenn man fälschlicherweise von einer defekten Ampel ausgeht und beim Rotlichtverstoß von der Polizei erwischt wird?

Polizei beobachtet Rotlichtverstoß

Ein Autofahrer wollte links abbiegen – weil die Ampel für Linksabbieger jedoch rot zeigte, musste er zunächst warten. Während der Wartezeit von mindestens vier Minuten fiel ihm auf, dass die Ampel für Geradeausfahrer bereits mehrfach auf Grün umgeschaltet hatte.

Er glaubte aufgrund der langen Rotlichtdauer fälschlicherweise, dass die Lichtzeichenanlage für Linksabbieger defekt sei, und entschied, bei der nächsten Grünphase für die Geradeausfahrer ebenfalls Gas zu geben und abzubiegen. Dieser Vorgang verlief problemlos – wurde allerdings von einem Polizisten beobachtet. Der Autofahrer landete daraufhin prompt vor Gericht. Hier musste geklärt werden, wie hoch das zu verhängende Bußgeld ausfällt und ob ein Fahrverbot angeordnet werden muss.

Kein Fahrverbot nach Rotlichtverstoß

Das Amtsgericht (AG) Dortmund verhängte gegen den Autofahrer lediglich ein Bußgeld in Höhe von 90 Euro.

Strenge Sanktion eines Rotlichtverstoßes

Die Unfallgefahr steigt bei einem Rotlichtverstoß immer erheblich. Er wird daher streng sanktioniert. Das gilt vor allem, wenn der Autofahrer z. B. nicht nur die Dauer der Gelbphase – nach dem Motto: „Das schaffe ich noch!“ – überschätzt hat, sondern absichtlich über Rot gefahren ist. Hier droht neben einem saftigen Bußgeld und mindestens einem Punkt in Flensburg häufig auch noch ein Fahrverbot.

Irrtum über Funktionsfähigkeit der Ampel?

Vorliegend hat der Autofahrer absichtlich gehandelt, als er trotz der roten Ampel links abgebogen ist. Allerdings hielt er die Lichtzeichenanlage irrtümlich für defekt, weil sie nach über vier Minuten Warterei – im Gegensatz zur Ampel für den Geradeausverkehr – noch immer Rot anzeigte.

Funktioniert eine Ampel aufgrund eines technischen Fehlers tatsächlich nicht so, wie sie soll, kann nicht erwartet werden, dass Verkehrsteilnehmer ewig auf Grün warten. Sie dürfen daher nach einer angemessenen Zeit vorsichtig losfahren, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen. Wie lange jedoch zuvor gewartet werden muss, wurde gesetzlich leider nicht geregelt. Drei Minuten sollen nach Ansicht des Oberlandesgerichts Hamm (OLG Hamm, Beschluss v. 10.06.1999, Az.: 2 Ss OWi 486/99) auf jeden Fall nicht ausreichen.

Irrt sich der Autofahrer – wie vorliegend – dagegen nur über die Funktionsfähigkeit der Ampel, kann zwar aufgrund des Rotlichtverstoßes ein Bußgeld verhängt werden, von einem Fahrverbot kann unter Umständen aber abzusehen sein. Hier ist jeder Fall einzeln zu betrachten.

So hat der Autofahrer vorliegend mehrere Minuten vor der roten Ampel vergeblich auf ein Umschalten gewartet und damit deutlich gezeigt, sich an die Verkehrsregeln halten zu wollen. Er war erst losgefahren, als er glaubte, dass die Ampel defekt ist. Darin ist aber keine besondere subjektive Verantwortungslosigkeit, z. B. Gleichgültigkeit oder grober Leichtsinn, zu sehen, die mit einem Fahrverbot sanktioniert werden soll. Die Voraussetzungen eines Fahrverbots nach § 25 Straßenverkehrsgesetz (StVG) waren deshalb nicht gegeben, weshalb das Gericht vorliegend von der Anordnung eines Fahrverbots absah.

Fazit: Schaltet eine Ampel minutenlang nicht auf Grün um, darf man nicht einfach losfahren. Schließlich kann es sich auch einfach nur um eine besonders lange Rotlichtphase handeln. Bleibt die Ampel dagegen rot, weil sie defekt ist, darf man zwar vorsichtig losfahren – aber erst, wenn man zuvor eine angemessene Zeit vor der roten Ampel gewartet hat.

(AG Dortmund, Urteil v. 04.02.2017, Az.: 729 OWi 9/17)

(VOI)

Foto(s): Fotolia.com

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