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Warum veganer Käse kein Käse ist

  • 4 Minuten Lesezeit
Johannes Schaack anwalt.de-Redaktion

Was soll das heißen? Das ist doch Käse!“ – „Aber ganz im Gegenteil!“

Solche oder zumindest ähnliche Worte sind garantiert in so manch hitziger Debatte bereits gefallen. In dem neuesten kuriosen Rechtsstreit, den wir in dieser Rubrik verewigen wollen, spielte das schmackhafte Molkereiprodukt, das jeden Tag aufs Neue so manchen kulinarischen Genuss veredelt, eine gewichtige Rolle.

Käse oder nicht Käse? Das ist hier die Frage, die nun auch den Europäischen Gerichtshof beschäftigte

Oder jedenfalls theoretisch – denn am Ende kam das Landgericht (LG) Trier zu dem Entschluss, dass für den Zankapfel des Rechtsstreits der Gebrauch des Begriffs „Käse“ letztendlich überhaupt nicht angemessen ist. Und auch der Europäische Gerichtshof pflichtete ihm nun bei. Sind Sie bereits verwirrt? Nicht verzagen – was auf den ersten Blick ein wenig verquer anmuten mag, ist problemlos innerhalb der Zeitspanne zu entschlüsseln, in der sich eine gut belegte Käsesemmel konsumieren lässt. Also, guten Appetit!

Vegetarische oder vegane „Analogprodukte“ – ein delikat boomender Markt

Vor allem unter – wir entschuldigen uns vorab für den Kalauer – eingefleischten Vegetariern oder Veganern sind sie höchst umstritten: fleischlose Ersatzprodukte. Von vegetarischen Burgerbuletten und veganem Trockenfleisch über pflanzlichen Fleischsalat bis hin zu Soja-Hackbraten scheint es mittlerweile nichts zu geben, was es nicht gibt.

Dem einen sind derartige „Analogprodukte“ ein Dorn im Vegetarier- oder Veganerauge, der andere betrachtet sie als praktikablen Kompromiss, der den Abschied von der Welt der Delikatessen aus tierischen Erzeugnissen immerhin ein Stück weit erleichtert. Über eines lässt sich jedoch nicht streiten: Vegetarische und vegane Alternativen liegen aktuell voll im Trend, sodass sich mittlerweile beachtliche Gewinne mit ihnen erwirtschaften lassen.

Die Kreation eines „Veggie-Spezialisten“: „Pflanzenkäse“

Ein ungenannter, in der Eifel ansässiger Hersteller pflanzlicher Produkte für Vegetarier und Veganer bot auf seiner Website „veganen Käse“ an – und durfte sich postwendend mit dem Landgericht (LG) Trier auseinandersetzen. Nicht etwa, weil es sich bei den Mitgliedern des Gerichts um erklärte Gegner des vegetarischen bzw. veganen Lebensstils handelte. Vielmehr war für einen ungenannten Verein zum Schutz gegen unlauteren Wettbewerb der auf der Website des Herstellers angebotene „Pflanzenkäse“ ein rotes Tuch. Und das aus gutem Grund, urteilte das LG Trier – und bezog sich auf geltendes EU-Recht.

Das EU-Recht als Appetitverderber

Das Gerücht von einer angeblichen „EU-Verordnung über die Einfuhr von Karamellbonbons“ gilt zwar unter Eingeweihten bereits seit seiner Entstehung als heiße Luft, hält sich jedoch weiterhin durchaus hartnäckig. Wer sich allerdings auf die Suche nach Regelungen zu Milchprodukten begibt, wird schnell erkennen, dass hier ein deutlich anderer Wind weht. Dementsprechend wies das LG Trier auf die umfangreiche EU-Verordnung 1308/2013 hin, aus der hervorgehe, dass die Bezeichnung „Käse“ nur für ein Erzeugnis aus tierischer Milch zulässig sei. Die Art und Weise, in der das „Veggie“-Unternehmen sein Produkt beworben hatte, erachtete das Landgericht somit als wettbewerbswidrig. Auch die Bezeichnung als „Cheese“, die der „grüne“ Lebensmittelproduzent bereits zum Einsatz hatte kommen lassen, biete hierbei kein Schlupfloch. Dasselbe galt für die beigefügte Produktbeschreibung, die darauf hinwies, dass ausschließlich pflanzliche Inhaltsstoffe verarbeitet worden wären.

Abschließend wies das Landgericht Trier noch darauf hin, dass die Frage, inwieweit Verbraucher durch die „Inszenierung“ des Pseudo-Käseerzeugnisses hätten getäuscht werden können, außen vor gelassen worden sei. Dem unterlegenen Unternehmen stand postwendend nur noch die Möglichkeit offen, sich in die lange Reihe derer einzureihen, die am eigenen Leib erfahren durften, wie es ist, in Konflikt mit der diffizilen Materie des EU-Rechts zu geraten.

Das neue Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14.06.2017

Der beharrliche „Veggie-Spezialist“ ließ allerdings nicht locker und gab sich mit der Abfuhr des Landgericht Trier nicht zufrieden. Der Fall wurde daher dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt – wobei sich das Ergebnis jedoch als dasselbe erwies. In ihrem heute veröffentlichten Urteil entschieden auch die Luxemburger Richter, dass rein pflanzliche Produkte grundsätzlich nicht unter Bezeichnungen wie „Milch“, „Rahm“, „Joghurt“ und natürlich auch „Käse“ vermarktet werden dürfen und besagte Bezeichnungen ausschließlich Milcherzeugnissen zustehen. Zwar habe das Unternehmen seine Werbung mit klarstellenden Zusätzen versehen, die auf den pflanzlichen Ursprung ihres Produkts hinwiesen. Eine Möglichkeit, das Verbot zu umgehen, sah der EuGH hierin jedoch nicht. Zwar gebe es auch ein Verzeichnis mit Ausnahmefällen. Allerdings seien in ihm weder Produkte aus Soja noch Tofu enthalten. Auch in Luxemburg war man folglich der Meinung, dass für Verbraucher eine akute Verwechslungsgfahr bestehe. 

„Käse-Tabu“– Eine echte Herausforderung, auch für Wortgewaltige

Abschließend ist selbstverständlich noch eine Frage offen: Wie bezeichnet man ein pflanzliches „käseähnliches“ Produkt, ohne dabei von dem „offiziellen“ Wort für den schmackhaften Brotbelag oder -aufstrich Gebrauch zu machen? Es lässt sich somit mit Fug und Recht mutmaßen, dass die Marketingzauberer des vor Gericht aufgelaufenen Unternehmens – und eventuell auch die Teilnehmer der einen oder anderen Runde des Gesellschaftsspiels „Tabu“ – nun vor der Aufgabe ihres Lebens stehen.

Fazit: Wer ein rein pflanzliches Lebensmittel als Käse bewirbt, handelt – so kurios es auch klingen mag – wettbewerbswidrig. Dieser Meinung war letztes Jahr das Landgericht Trier, und der Europäische Gerichtshof pflichtete ihm nun bei.

(LG Trier, Urteil v. 24.03.2016, Az.: 7 HK O 58/16, EuGH, Urteil v. 14.06.2017, Az.: C-422/16)

(JSC)

Foto(s): ©iStockPhoto.com

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