BGH, Urteil vom 8. März 2005 – XI ZR 154/04

Karlsruhe/Düsseldorf (rpo). Banken und Sparkassen dürfen ihren Kunden keine Gebühren für gescheiterte Abbuchungen im Lastschriftverfahren in Rechnung stellen. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

Die Verbraucherzentrale NRW hatte gegen die Dresdner Bank geklagt, weil sie wie viele andere auch ein entsprechendes BGH-Urteil von 1997 ignoriert hatte. Die Bank hatte statt dessen ihre Mitarbeiter in einer internen Anweisung aufgefordert, Schadensersatz von jeweils sechs Euro zu berechen, wenn Lastschriften - etwa für Telefon- oder Stromrechnungen - wegen Kontenunterdeckung nicht ausgeführt werden konnten.

Die Verbraucherzentrale forderte nun Bankkunden auf, ihre Kontenauszüge zu überprüfen und entsprechende Gebühren - auch für die zurückliegenden Jahre - zurückzuverlangen: "Bankkunden müssen verdeckt erhobene Beträge, die eigentlich als Strafgebühr für Rücklastschriften berechnet werden, nicht zahlen. Darüber hinaus hat die richterliche Entscheidung bahnbrechende Bedeutung für weitere Verschleierungspraktiken bei der Entgeltberechnung von Geldinstituten. Denn der BGH wertet die Einführung von Gebühren durch die Hintertür generell als einen unzulässigen Verstoß gegen das gesetzliche Umgehungsverbot", kommentiert die Verbraucherzentrale NRW die höchstrichterliche Entscheidung.

Der Bundesverband deutscher Banken wollte das Urteil mit Blick auf in dem Rechtsstreit unterlegenes Verbandsmitglied nicht kommentieren. Eine Sprecherin verwies jedoch auf ein Ombudsmann-Verfahren, das sich im Streit zwischen Kunden und Banken etwa über Gebühren für Rücklastschriften klar an die Rechtssprechung des BGH halte. Dies sei auch in der Vergangenheit der Fall gewesen.

Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass eine Kundenbank beim Lastschriftverfahren nicht im Auftrag des Konteninhabers handelt, sondern ungefragt in dessen Konto im Auftrag einer Gläubigerbank eingreift. Deshalb könne die Bank bei einer Rücklastschrift angefallene Bearbeitungsgebühren auch nur von der Gläubigerbank fordern und nicht von ihrem Kunden. Zudem seien Kunden nicht zur Deckung ihrer Girokonten verpflichtet. Von ihm könne insoweit auch kein "Schadensersatz" genanntes Entgelt verlangt werden.

Der BGH kritisierte die Forderungen der Dresdner Bank als Verstoß gegen das Umgehungsverbot. Die Bank habe unter dem "Deckmantel" einer Schadensersatzforderung einfach weiter praktiziert, was ihr im BGH-Urteil vom 21. Oktober 1997 als Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen verboten worden sei: Entgelte für die Rückgabe von Lastschriften zu fordern.

Nach Ansicht der Verbraucherzentrale bricht die BGH-Entscheidung "außerdem eine weitere wichtige Lanze" für den Verbraucherschutz: "Denn einige Banken sind mittlerweile dazu übergegangen, rechtlich umstrittene Gebühren einfach aus ihren Verzeichnissen zu streichen, um sie ihren Kunden in verschleierter Form dennoch kommentarlos vom Konto abzubuchen". Damit sei jetzt Schluss.
Quelle: http://www.rp-online.de


Pressemitteilung des BGH:

Der für das Bank- und Börsenrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, daß die bundesweit einheitliche Praxis einer Bank, nach Rückgabe einer Lastschrift mangels Kontodeckung ihre Kunden mit pauschal 6 Euro Schadensersatz zu belasten, unzulässig ist.

Nachdem der XI. Zivilsenat mit Urteilen vom 21. Oktober 1997 (BGHZ 137, 43 ff. und BGH, WM 1997, 2300 ff.) Entgelte für die Rückgabe von Lastschriften mangels Kontodeckung für unzulässig erklärt hatte, wies die beklagte Großbank ihre Geschäftstellen intern an, die ihr bei Rückgabe einer Lastschrift mangels Kontodeckung entstehenden Kosten gegenüber dem Kontoinhaber teilweise als Schadensersatz geltend zu machen und dessen Konto mit 15 DM, jetzt 6 €, zu belasten. Die Beklagte verfuhr daraufhin gemäß diesem Rundschreiben. Die Kontoauszüge betroffener Kunden enthielten die Belastungsbuchung „Lastschrift-Rückgabe vom … 6 €“. Auf Beschwerden betroffener Kontoinhaber begründete die Beklagte die Kontobelastung damit, daß ihr wegen Verletzung einer den Kunden treffenden Kontodeckungspflicht ein Schadensersatzanspruch zustehe. Mit seiner Unterlassungsklage wendet sich der klagende Verbraucherverein gegen diese Praxis der Beklagten. Er ist der Auffassung, daß in der bundesweit einheitlichen Praxis der Beklagten das Verwenden einer Allgemeinen Geschäftsbedingung liege, die wegen Verstoßes gegen AGB-rechtliche Schutzvorschriften unwirksam sei. Das Landgericht (BKR 2003, 879) hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht (ZIP 2004, 1496) hat sie abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und das landgerichtliche Urteil wieder hergestellt.

Die mit Rundschreiben vom 4. Mai 1998 eingeführte einheitliche Praxis der Beklagten ist zwar keine allgemeine Geschäftsbedingung. Weder die interne Anweisung vom 4. Mai 1998 noch die Belastungsbuchungen auf den Kontoauszügen noch die Schreiben an widersprechende Kunden lassen sich als Vertragsbedingung qualifizieren. Es liegt aber ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306 a BGB vor. Mit ihrer Vorgehensweise praktiziert die Beklagte die vom erkennenden Senat in seinen Urteilen vom 21. Oktober 1997 für unzulässig und unwirksam erklärte Entgeltklausel bei der Rückgabe von Lastschriften mangels Deckung unter dem rechtlichen Deckmantel pauschalierten Schadensersatzes wirtschaftlich wirkungsgleich weiter. Die interne Anweisung der Beklagten ist ebenso effizient wie die Pauschalierung von Schadensersatz in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und hat ferner deren typischen Rationalisierungseffekt. Die Beklagte verwirklicht den einseitig auf 6 Euro festgelegten Betrag durch Belastung des Kundenkontos und Verrechnung ihrer – vermeintlichen – Forderung im Kontokorrent.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB hält die interne Anweisung und die darauf beruhende Geschäftspraxis der Beklagten nicht stand. Schadensersatz kann auf vertraglicher Grundlage nur verlangt werden, wenn der Schuldner eine Pflichtverletzung zu vertreten hat. Ein Bankkunde ist gegenüber seiner Zahlstelle jedoch nicht verpflichtet, für die Einlösung von Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren Deckung vorzuhalten. Die Schuldnerbank wird nicht auf Weisung des Schuldners tätig, sondern sie greift im Auftrag der Gläubigerbank ohne eine Weisung ihres Kunden auf dessen Konto zu. Ob der Schuldner überhaupt eine Einziehungsermächtigung erteilt hat oder im Verhältnis zu seinem Gläubiger zu der erhobenen Leistung verpflichtet ist, weiß und interessiert die Schuldnerbank aufgrund der Ausgestaltung des Lastschriftverfahrens nicht. Die Schuldnerbank kann ihre Aufwendungen, die durch die Lastschriftrückgabe mangels Deckung entstehen, im Interbankenverhältnis bei der Gläubigerbank liquidieren, wobei es die Kreditwirtschaft in der Hand hat, insoweit kostendeckende Rücklastschriftentgelte vorzusehen. Die Gläubigerbank kann ihre das Rücklastschriftengelt umfassenden Aufwendungen dem Gläubiger in Rechnung stellen, der seinerseits, falls die Lastschrifteinreichung berechtigt war, den Schuldner auf Ersatz in Anspruch nehmen kann.

Urteil vom 8. März 2005 – XI ZR 154/04

LG Köln – 26 O 100/02 ./. OLG Köln – 13 U 192/02

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