Viele Beschäftigte erhalten Sonderzahlungen - z. B. in Form von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Fraglich ist jedoch, ob sie die Geldbeträge jedes Jahr aufs Neue verlangen dürfen oder ob der Chef die Zahlungen, auch bei einzelnen Arbeitnehmern, einfach verweigern bzw. kürzen kann.

Oft wollen Arbeitgeber ihre Beschäftigten mit Sonderzahlungen entweder für ihre Betriebstreue oder geleistete Arbeit belohnen und/oder sie für die Zukunft motivieren. Gleichzeitig wollen sie aber frei entscheiden können, ob sie diese Leistung gewähren oder nicht. Wird einzelnen Angestellten die Leistung verweigert, stellt sich die Frage, ob sie nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dennoch die Sonderzahlung verlangen können.

Sonderzahlung - aber nur unter bestimmten Voraussetzungen

Die Angestellten eines Unternehmens erhielten regelmäßig am Ende jedes Jahres eine Sonderzahlung in Form von Weihnachtsgeld, die laut Arbeitgeber jedoch stets freiwillig erfolgen sollte. Damit wollte er nicht nur die Betriebstreue und geleistete Arbeit seiner Mitarbeiter belohnen, sondern diese auch für das kommende Jahr motivieren.

Vor der Auszahlung nahm der Arbeitgeber allerdings bei manchen Angestellten noch Korrekturen nach bestimmten Regeln vor. Wer danach etwa für einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als sechs Kalenderwochen arbeitsunfähig erkrankt war, musste eine Kürzung der Sonderzahlung um 1/12 je angefangenem Monat hinnehmen.

Juristin erhält kein Weihnachtsgeld

Im Jahr 2014 zahlte der Arbeitgeber nur an einen Teil seiner Beschäftigten die Sonderzahlung vollständig aus. Bei einem weiteren Teil nahm er Kürzungen vor, weil das Arbeitsverhältnis mit den betroffenen Mitarbeitern erst im laufenden Jahr begonnen oder – etwa wegen Elternzeit – geruht hatte. Allein eine Mitarbeiterin bekam gar keine Sonderzahlung. Als Grund wurde der Juristin vor allem illoyales Verhalten vorgeworfen.

So habe sie bereits bei Antritt ihres Urlaubs im August den Schreibtisch so aufgeräumt, als ob sie nicht mehr kommen wollte und sei in eine andere Stadt zu ihrem Freund gezogen – es sei davon auszugehen, dass sie ihr Ausscheiden aus dem Betrieb plane. Außerdem sei sie aufgrund ihrer Schwangerschaft zusammenhängend mehr als sechs Wochen krank gewesen. Die Juristin forderte die Sonderzahlung daraufhin gerichtlich ein.

Arbeitgeber muss Sonderzahlung leisten

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern verpflichtete den Arbeitgeber zur Zahlung des Weihnachtsgelds.

Vertragsfreiheit vor Gleichbehandlungsgrundsatz?

Grundsätzlich gilt bei Vergütungsfragen vorrangig die Vertragsfreiheit, nicht der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Dieser kommt jedoch zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber die Vergütung seiner Angestellten nach selbst gesetzten verallgemeinerten Regeln vornimmt. Dann nämlich muss sich der Arbeitgeber auch an seine eigenen Vorschriften halten.

Ausnahmen sind nur möglich, wenn triftige Gründe für eine Ungleichbehandlung vorliegen, z. B. wenn eine Leistungskürzung bei Neueingestellten vorgenommen wird und die Sonderleistung an die Betriebstreue anknüpft.

Maßgeblich ist Zweck der Sonderzahlung

Vorliegend gab es keinen Grund, allein der Juristin die Sonderzahlung komplett vorzuenthalten. Die sollte schließlich sowohl der Belohnung für geleistete Arbeit und Betriebstreue dienen als auch für das kommende Jahr motivierend wirken. Die Juristin hatte die ihr übergebenen Aufgaben – wie ihre Kollegen auch – erfüllt. Ferner konnte sie die Motivation „gut gebrauchen“ – es stand schließlich keine Kündigung oder sonstige Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Raum. Aufgrund ihrer Schwangerschaft war sie wohl auch nicht daran interessiert. Ob sie in Zukunft vielleicht in der Nähe ihres neuen Wohnorts eine neue Stelle sucht, geht den Arbeitgeber im Übrigen nichts an.

Keine Kürzung wegen Arbeitsunfähigkeit

Auch durfte der Arbeitgeber die Sonderzahlung wegen der zusammenhängenden und über sechs Wochen andauernden Arbeitsunfähigkeit der Juristin nicht kürzen. Einerseits ist das Interesse des Chefs, die Abwesenheiten der Mitarbeiter möglichst gering zu halten, durchaus verständlich. Andererseits sollte mit dem Weihnachtsgeld im vorliegenden Fall unter anderem die geleistete Arbeit belohnt werden – und der Leistungsumfang ist der gleiche, unabhängig davon, ob man zusammenhängend krank war oder immer wieder einmal.

Gericht:
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 10.05.2016 - 5 Sa 209/15


Sandra Voigt
Assessorin
Redakteurin - Juristische Redaktion
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