Der Kläger bewarb sich bei der Behörde zum wiederholten Male auf die gleiche Stelle, wurde aber kein zweites Mal zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Der Kläger sieht sich wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert und verlangt eine Entschädigung i.H.v. rund 7200 Euro.

Der Sachverhalt

Wie die telefonische Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline berichtet, bewarb sich ein gelernter Justizfachwirt um eine Stelle beim örtlichen Ausländeramt. Er wollte dort als als Unterkunftsleiter in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber arbeiten. Der Mann ist zu 30 Prozent behindert und wurde schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Dies erwähnte er auch in der Bewerbung. Die Behörde lud ihn auch zum Vorstellungsgespräch ein, entschied sich dann aber doch gegen den Bewerber. Als die Stelle fünf Wochen später wieder ausgeschrieben war, bewarb er sich erneut. Doch diesmal lud ihn das Amt gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch ein und sagte dem Mann direkt ab.

Er fühlte sich daraufhin diskriminiert. Er vertritt die Auffassung, dass der beklagte Landkreis es entgegen der Regelung in § 81 Abs. 2 SGB IX unterlassen habe, ihn (erneut) zum Vorstellungsgespräch zu laden. Er verlangte daraufhin eine Entschädigung in Höhe von ca. 7200 Euro. Die Behörde aber weigerte sich und der Fall ging vor Gericht.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Karlsruhe

Die Klage blieb vor dem Arbeitsgericht Karlsruhe (Urteil, Az. 2 Ca 425/15) ohne Erfolg. Eine unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch führt bei einer wiederholten Bewerbung nicht die Vermutungswirkung des § 22 AGG herbei, wenn der Bewerber kurz zuvor an einem Vorstellungsgespräch teilgenommen hatte.

Aus dem Urteil: [...] Die Kammer vertritt die Auffassung, dass in der vorliegenden Fallkonstellation keine ausreichende Indizien für eine Diskriminierung wegen der Schwerbehinderung des Klägers herzuleiten sind. Der Schutzzweck des § 82 Satz 1 SGB IX besteht darin, dass ein schwerbehinderter Bewerber bei einem öffentlichen Arbeitgeber die Chance eines Vorstellungsgespräches bekommen muss, selbst wenn seine fachliche Eignung zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Selbst wenn sich der öffentliche Arbeitgeber aufgrund der Bewerbungsunterlagen schon die Meinung gebildet hat, ein oder mehrere andere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl komme, muss er den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Der schwerbehinderte Bewerber sollte den öffentlichen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung überzeugen können (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.11.2014 - 1 Sa 13/14). [...]

Aus dem Urteil: [...] Diese Chance hat die Beklagte dem Kläger eingeräumt, in dem sie ihn am 10.06.2015 zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat. Jedenfalls dann, wenn ein Schwerbehinderter sich auf mehrere Stellen mit identischem Anforderungsprofil bewirbt und der Arbeitgeber ein identisches Auswahlverfahren durchführt, die für die Personalentscheidung verantwortlichen Mitarbeiter gleich bleiben und wie - im vorliegenden Fall - nur ca. 5 Wochen zwischen dem Vorstellungsgespräch und der erneuten Bewerbung liegen, bildet die unterlassene Einladung zum Vorstellungsgespräch gemäß § 82 Satz 2 SGB IX keine hinreichende Indiztatsache für eine Diskriminierung wegen der Behinderung. Die Chanceneröffnung durch das geführte Bewerbungsgespräch wirkt in diesem Fall auch für das neue Bewerbungsverfahren fort. [...]

Gericht:
Arbeitsgericht Karlsruhe, Urteil vom 26.01.2016 - 2 Ca 425/15

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