Ein ehemaliger Mitarbeiter hatte die Zahlung von 750,00 Euro verlangt, weil er und die weiteren Mitarbeiter während der Arbeitszeit über zwei Monate lang täglich per Video überwacht worden seien. Der Arbeitgeber erklärte, dass der Produktionsraum nur während der Pausen und nach Dienstschluss überwacht worden sei.

Der Sachverhalt

Die Videoüberwachung fand nur zu Zeiten statt, wo sich Mitarbeiter in den Produktionsräumen nicht aufhalten durften, so der Arbeitgeber. ln dem Betrieb sei es zu zwei Sabotageakten gekommen. Unbekannte hätten Metallnägel in zwei Gewürzpackungen gelegt, die beim Kunden gefunden wurden.

Nach der Beschaffenheit der von den Kunden vorgefundenen Verpackungen war davon auszugehen, dass die Fremdkörper im Verlauf des Produktionsprozesses eingelegt worden waren. Der Arbeitgeber entschloss sich daraufhin, die Videoüberwachung einzuführen, ohne allerdings die Mitarbeiter hierüber zu informieren.

Das Urteil des Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (Az. 6 Sa 301/14)

Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (Urteil, Az. 6 Sa 301/14) wies die Schadensersatzklage des Mitarbeiters ab. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz aufgrund einer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts seitens der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1 GG nicht zu.

Ein Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung setze voraus, dass die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden könne. Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruhe auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde.

Bei dieser Entschädigung stehe - anders als beim Schmerzensgeld - regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem solle sie der Prävention dienen. Dies könne nur aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei seien in gebotener Gesamtwürdigung insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen.

"Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass der Arbeitgeber eigentlich gegen das Datenschutzgesetz verstoßen hat. Nach § 32 BDSG dürfen nämlich zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind", erläutert der Präsident der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons aus Duisburg.

Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters war nicht ausreichend schwerwiegend

Bei Abwägung der Gesamtumstände erschien dem Gericht aber der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters nicht als ausreichend schwerwiegend, um einen Entschädigungsanspruch in Geld auszulösen. Der Grund: Die Überwachung hat sich auf einen relativ kurzen Zeitraum des Arbeitsverhältnisses bezogen. Weiter beschränkte sich die Videoüberwachung auf den Produktionsbereich.

Videoüberwachung tangierte keine Privatsphäre des Mitarbeiters

Eine Beobachtung des Klägers in Bereichen, in denen seine Privatsphäre hätte tangiert sein können, z.B. Umkleideräume oder Pausenräume, hat unstreitig nicht stattgefunden. Die Beobachtung hat sich auch nicht gezielt gegen den Kläger gerichtet, sondern erstreckte sich auf den gesamten Produktionsbereich der Gewürzabteilung. Der Mitarbeiter stand mithin nicht im Focus der Beobachtung.

Aufgrund der vorangegangenen "Sabotageakte" waren alle Arbeitnehmer ohnehin sensibilisiert. Es herrschte eine gesteigerte Aufmerksamkeit im Produktionsablauf vor und die Mitarbeiter wurden ohnehin durch den Vorarbeiter überwacht. Auch die zwei vorangegangenen "Sabotageakte" in Form der Verunreinigung von Gewürzpackungen mit Metallnägeln dürfen nach Ansicht des Gerichts nicht außer Betracht bleiben.

Für den Arbeitgeber bestand ein nachvollziehbarer Anlass

Auch wenn nach dem sich bietenden Sachverhalt hieraus allein nicht die Rechtfertigung einer Videoüberwachung hergeleitet werden könne, so sei im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung zu konstatieren, dass für den Arbeitgeber ein nachvollziehbarer Anlass zur Einrichtung der Videoüberwachung bestand. Aus den vorgelegten Kundenbeschwerden sei zu entnehmen, dass die beiden Vorfälle zu einer Gefährdung der jeweiligen Vertragsbeziehung geführt hätten.

Gericht:
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 10.11.2015 - 6 Sa 301/14

Rechtsanwaltskammer Düsseldorf
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