In einer Stellenanzeige wurde nach einer Bürohilfe gesucht. Als Anforderung wurde "Deutsch als Muttersprache" vorausgesetzt. Ein Bewerber, der fließend Deutsch spricht, jedoch dessen Muttersprache Russisch ist, wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Er klagt auf Entschädigung wegen Benachteiligung.

Der Sachverhalt

Der in Odessa/Ukraine geborene, ledige Kläger, dessen Muttersprache Russisch ist, bewarb sich auf eine befristete Stelle als Bürohilfe. Die Bewerbung des Klägers enthielt den Hinweis, dass er als Fremdsprache u.a. fließend Deutsch spricht. Nachdem er keine Antwort erhielt, bat er um Rückmeldung.

Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass die Stelle sehr schnell besetzt worden sei. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass er durch das Auswahlkriterium "Deutsch als Muttersprache" wegen seiner Ethnie diskriminiert worden sei. Die Stellenausschreibung sei diskriminierend, da das Verlangen einer bestimmten Muttersprache an die ethnische Herkunft anknüpfe. Die ukrainische Herkunft werde vom Begriff der "ethnischen Herkunft" im Sinne des § 1 AGG erfasst. Der Kläger verlangt eine angemessene Entschädigung.

Die Entscheidung

Nach § 15 Abs. 2 S. 1 AGG hat der Kläger wegen seines Schadens einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, weil die Beklagte ihn entgegen § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG wegen seiner Ethnie benachteiligt hat, so das Landesarbeitsgericht Hessen (Urteil, Az. 16 Sa 1619/14).

Es liegen Indizien für die Vermutung vor, dass der Kläger wegen seiner Ethnie benachteiligt worden ist. Ausreichend für den erforderlichen Kausalzusammenhang ist, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat. Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an. Anknüpfungspunkt für die Vermutung einer Benachteiligung ist der Text der Stellenausschreibung (Bundesarbeitsgericht 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11).

Anforderung "Deutsch als Muttersprache"

Diese stellt an erster Stelle die Anforderung "Deutsch als Muttersprache" auf. Als Muttersprache wird die in der frühen Kindheit ohne formalen Unterricht erlernte Sprache verstanden. Ein Muttersprachler ist im Normalfall also eine Person, in dessen Elternhaus die betreffende Sprache gesprochen wurde, so dass die Sprache in engem Zusammenhang mit der -im Übrigen weit zu verstehenden- ethnischen Herkunft steht. Der Begriff der Muttersprache knüpft daher an die Herkunft der betreffenden Person zu einem bestimmten Sprachraum an, die von dem einzelnen nicht beeinflusst werden kann. Mit der Anforderung "Deutsch als Muttersprache" werden sämtliche Bewerber, die nicht in ihrer frühen Kindheit ohne formalen Unterricht Deutsch lernten, wegen der Nichtzugehörigkeit zur deutschen Ethnie ausgeschlossen, unabhängig davon ob und auf welchem Niveau sie die deutsche Sprache beherrschen.

Indem die Beklagte in der Stellenausschreibung "Deutsch als Muttersprache" als Anforderung für die Tätigkeit stellte, verstieß die Ausschreibung gegen § 7 Abs. 1 AGG, weil sie Bewerber, die Deutsch nicht als Muttersprache erlernt haben, wegen ihrer ethnischen Herkunft gem. § 1 AGG benachteiligt. Eine derartige Ausschreibung verstößt gegen § 11 AGG. Das Urteil ist nicht rechtkräftig.

Themenindex:
Gleichbehandlungsgesetz, AGG, Diskriminierung

Gericht:
Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 15.06.2015 - 16 Sa 1619/14

LAG Hessen
Rechtsindex - Recht & Urteile
Ähnliche Urteile:

Das OLG Köln hat einen Immobilienverwalter zur Zahlung von 5.056,- Euro Geldentschädigung und Schadenersatz verurteilt, weil er als verantwortlich angesehen wurde, dass ein Paar schwarzafrikanischer Herkunft wegen seiner Hautfarbe als Mieter einer Wohnung zurückgewiesen wurde. Urteil lesen

BAG - Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist die Benachteiligung eines Beschäftigten auch dann untersagt, wenn der Benachteiligende ein Diskriminierungsmerkmal nur annimmt. Urteil lesen

Wird die Würde eines Arbeitnehmers entgegen dem Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verletzt, so kann diese Belästigung eine die Entschädigungspflicht des Arbeitgebers auslösende Benachteiligung (§ 15 Abs. 2 AGG) darstellen. Urteil lesen

Nürnberg (D-AH) - Es ist nicht diskriminierend, wenn einem HIV-infizierten Patienten die Toilette in seinem Mehrbettzimmer verwehrt wird und er eine Extra-Toilette auf dem Gang des Krankenhauses zugewiesen bekommt. Urteil lesen

Werbung
Werbung auf Rechtsindex.de