Ein mehrstündiger "Sitzstreik" im Dienstzimmer des Vorgesetzten zur Durchsetzung eines AT-Vertrages kann auch bei langjähriger Betriebszugehörigkeit ohne vorherige Abmahnung jedenfalls eine verhaltensbedingte fristgemäße Kündigung rechtfertigen, so das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein.

Der Sachverhalt

Nach einem Bericht der Deutschen Anwaltshotline, arbeitete eine Frau seit nunmehr 22 Jahren in einem Betrieb, zuletzt in leitender Position. Mit ihrem Gehalt war sie allerdings nicht zufrieden und suchte immer wieder das Gespräch über eine Vergütung als außertarifliche Angestellte.

Nach mehreren erfolglosen Versuchen hatte ihr Chef ihr unmissverständlich klargemacht, dass sie keinen AT-Vertrag erhalten könne. Als die Angestellte trotzdem erneut dieses Thema aufwarf und abblitzte, weigerte sie sich, das Büro ihres Vorgesetzten zu verlassen. Auch der von diesen eingeschalteten unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin gelang es nicht, die Angestellte zum Gehen zu bewegen. Angebote, den Ehemann anzurufen oder ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen, lehnte die Angestellte ab. Sie forderte weiterhin einen AT-Vertrag, vorher gehe sie nicht. Schließlich musste die Polizei die Angestellte nach über zwei Stunden Sitzstreik aus dem Büro eskortieren. Der Betrieb kündigte ihr daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich.

Das Urteil des Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Az. 3 Sa 354/14)

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (Urteil, Az. 3 Sa 354/14) erklärte die fristlose Kündigung für unwirksam, da der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen angesichts der langjährigen Betriebszugehörigkeit jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war.

Das Verhalten der Klägerin ist nach wie vor rational nicht zu erklären und auch nicht nachzuvollziehen. Alles spricht dafür, dass sich die Klägerin selbst nicht mehr unter Kontrolle hatte. Vergleichbares war in den zurückliegenden 22 Jahren der Betriebszugehörigkeit nicht vorgekommen. Die Klägerin hat beanstandungsfrei gearbeitet. Vor diesem Hintergrund gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich ein solches Verhalten zeitnah wiederholt hätte, so dass die Beklagte die Kündigungsfrist nicht mehr hätte abwarten können. Die ordentliche Kündigung hat hingegen das Arbeitsverhältnis aus verhaltensbedingten Gründen fristgemäß beendet.

Gericht:
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.05.2015 - 3 Sa 354/14

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