Eigentlich erwartet man von einem Kollegen, dass dieser vertrauliche Dinge für sich behält. Im vorliegenden Fall schrieb ein Arzt per SMS an seine Kollegin über den Chef, dass dieser ein autistisches krankes Arschl... sei. Die Kollegin leitete die SMS weiter.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist als Oberarzt beschäftigt. Im Rahmen einer Teambesprechung erklärte er sich bereit, die medizinisch-technische Operationsassistentin Frau N. zu fragen, ob sie bereit sei, Rufbereitschaft zu leisten, um dadurch die Ärzte zumindest teilweise zu entlasten. Er schrieb per SMS:

Kläger (16.10 Uhr): "Hi L., soll Dich mal aus REIN DIENSTLICHEN GRÜNDEN fragen, ob Du stundenweise Rufdienst machen könntest. Am besten wir telefonieren kurz heute Abend nach 20.00 Uhr. Danke m"

Frau N.(16.28 Uhr): "Hallo, es ist schon alles mit dem Chef besprochen"

Kläger (16.56 Uhr): "Dann ist ja gut. Heute morgen hat er nichts davon gesagt. Er ist u bleibt ein autistisches krankes Arschl... l G m"

Nachdem Frau N. daraufhin den Chefarzt über diesen Vorgang in Kenntnis gesetzt hatte, kündigte dieser dem Kläger mündlich fristlos ohne nähere Begründung, später ordentlich.

Der Kläger sieht die Kündigung als unwirksam. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass seine Äußerung nicht weitergeleitet werde, zumal er mit Frau N. von 2010 bis Herbst 2012 eine eheähnliche Beziehung geführt habe und diese ihm noch im Frühjahr 2014 angesichts von Meinungsverschiedenheiten in der Abteilung erklärt habe, sie werde nichts tun, um ihm zu schaden.

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland Pfalz (Az. 3 Sa 571/14)

Die ordentliche Kündigung hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet, so das Urteil des LAG Rheinland-Pfalz (Az. 3 Sa 571/14). Nach Maßgabe der besonderen Umstände des hier zu entscheidenden Einzelfalles durfte der Kläger darauf vertrauen, dass Frau N. als Adressatin der SMS diese nicht an den Chefarzt bzw. den Beklagten weiterleiten würde.

Werden diffamierende und ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte oder Kollegen nur in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen abgegeben, so kann unter Umständen die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ebenso wie die ordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt sein. Denn vertrauliche Äußerungen unterfallen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre ist Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet (BAG 10.12.2009 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 29). Der Arbeitnehmer darf regelmäßig darauf vertrauen, seine Äußerungen werden nicht nach außen getragen und der Betriebsfrieden nicht gestört bzw. das Vertrauensverhältnis nicht zerstört.

Hebt der Gesprächspartner später die Vertraulichkeit auf, geht dies rechtlich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers (BAG 10.12.2009 a.a.O.). Diesen Schutz der Privatsphäre und der Meinungsfreiheit kann der Arbeitnehmer lediglich dann nicht in Anspruch nehmen, der selbst die Vertraulichkeit aufhebt, so dass die Gelegenheit für Dritte, seine Äußerung zur Kenntnis zu nehmen, ihm zurechenbar wird. Das gilt beispielsweise in dem Fall, in dem er eine Mitteilung an eine - vermeintliche - Vertrauensperson richtet, um einen Dritten "zu treffen" (BAG 10.10.2002 EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 1; 10.12.2009 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 29; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 4 Nr. 1328 = S. 1662 f.).

Gericht:
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.01.2015 - 3 Sa 571/14

LAG RLP
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