Droht ein Arbeitnehmer für den Fall, dass ihm kein Urlaub gewährt wird, eine ärztliche Krankschreibung an, muss er mit der fristlosen Kündigung rechnen, wenn er in Wahrheit gesund ist. Besteht allerdings zum Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich eine Erkrankung, kann nicht ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden.

Der Sachverhalt

Auf dieses Urteil weist die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf hin und verweist auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg. Im vorliegenden Fall hat ein kaufmännischer Angestellter an einem Freitag gegenüber zwei Kollegen erklärt, dass er sei "kaputt" sei und ab dem nächsten Montag mindestens eine Woche Urlaub brauche. Zum Arzt wolle er aber nicht gehen.

Der Urlaubsantrag, den der Angestellte eingereicht hatte, wurde noch am selben Tag abgelehnt. Nachdem er am darauf folgenden Montag dann tatsächlich nicht im Betrieb erschienen war, kündigte der Arbeitgeber fristlos. Am Dienstag wurde der Angestellte von einem Arzt arbeitsunfähig krankgeschrieben - und zwar rückwirkend auch für den vorausgehenden Montag. Der Arbeitnehmer erhob außerdem gegen den Rauswurf Kündigungsschutzklage und gewann.

Zur Entscheidung

Wie der Präsident der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf, Rechtsanwalt und Notar Herbert P. Schons aus Duisburg, erläutert, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darauf an, ob ein Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der "Ankündigung einer Erkrankung" objektiv erkrankt ist oder nicht. Zwar könne die Ankündigung in beiden Fällen eine Pflichtwidrigkeit darstellen, doch seien die Auswirkungen unterschiedlich. Bei der "angekündigten Krankheit" im Falle eines gesunden Arbeitnehmers bedürfe es in aller Regel keiner vorhergehenden Abmahnung. Der Arbeitgeber könne vielmehr sofort kündigen. Sei der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Ankündigung aber tatsächlich schon krank, sei eine Abmahnung erforderlich.

Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber im Prozess ausgesagt, der Mitarbeiter habe freitags noch voll gearbeitet und könne deshalb zum Zeitpunkt der Ankündigung nicht arbeitsunfähig gewesen sein. Das überzeugte die Berliner Landesarbeitsrichter allerdings nicht. Der Arbeitgeber habe übersehen, dass nicht jeder Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung erbringe, auch tatsächlich arbeitsfähig sei. So liege eine Arbeitsunfähigkeit auch dann vor, wenn aufgrund eines bestimmten Krankheitszustandes, der für sich allein noch keine Arbeitsunfähigkeit bedinge, absehbar sei, dass aus der Ausübung der Tätigkeit für die Gesundheit bzw. für die Gesundung abträgliche Folgen erwüchsen, die die Arbeitsunfähigkeit unmittelbar hervorriefen.

"Aus dem Juristendeutsch in die Umgangssprache übersetzt bedeutet dies, dass die Berliner Arbeitsrichter aus der Aussage des Arbeitnehmers, er sei "kaputt", folgerten, dass er an dem fraglichen Freitag zumindest subjektiv schon arbeitsunfähig gewesen sei, sich also schlecht gefühlt habe. Der Arbeitgeber hätte die Aussage seines Mitarbeiters noch am selben Tag abklären lassen können, indem er ihn zum Arzt geschickt hätte", erläutert Rechtsanwalt und Notar Schons. Weil er das nicht getan habe, könne er auch nicht beweisen, dass der Angestellte am Freitag noch vollauf gesund gewesen sei. Hierfür sei er aber beweispflichtig gewesen, sodass die Landesarbeitsrichter die ohne Abmahnung ausgesprochene Kündigung als unwirksam angesehen hätten.

Gericht:
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.03.2013 - 10 Sa 2427/12

RAK Düsseldorf
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