Es stand im schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers bzw. des Vorgesetzten, die körperlichen Aktivitäten des Arbeitnehmers an der Waschanlage zu Beweiszwecken zu fotografieren.

Dies, so der Bremer Fachanwalt für Arbeitsrecht Klaus-Dieter Franzen, Landesregionalleiter "Breme"" des VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V., hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in einem jüngst veröffentlichen entschieden.

Der Sachverhalt

Der Kläger ist als Produktionshelfer bei der Beklagten im Schichtbetrieb beschäftigt. Der Kläger war vom 25. Februar 2013 bis zum 27. März 2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Kläger legte für diesen Zeitraum AU- Bescheinigungen von verschiedenen Ärzten vor. An einem Samstag traf ihn sein Vorgesetzter gegen 10:00 Uhr an einer Autowaschanlage.

Der Kläger reinigte gemeinsam mit seinem Vater einen Pkw. Der Vorgesetzte war über die Reinigungstätigkeiten des krankgeschriebenen Klägers und dessen körperliche Verfassung erstaunt und fertigte mit seiner Handykamera Fotos, um seine Beobachtung zu dokumentieren.

Es kam zu einer - auch körperlichen - Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen tätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzten mit Schreiben vom 23. März 2013 fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. August 2013. Der Kläger erhob Klage gegen die Kündigung. Er sei seinem Vater behilflich gewesen, der ihn von seiner depressiven Grundstimmung habe ablenken wollen. Das habe den Heilungseffekt gefördert und nicht verhindert.

Am 21. März 2013 beantragte er außerdem in einem Eilverfahren, es seinem Arbeitgeber und seinem Vorgesetzten zu untersagen, ihn selbst oder durch Dritte ohne seine Einwilligung zu filmen, zu fotografieren und/oder heimlich nachzustellen und/oder heimlich zu kontrollieren.

Die Entscheidung

Ebenso wie das Arbeitsgericht wies das Landesarbeitsgericht die Anträge zurück, so Franzen. Nach Ansicht der Mainzer Richter beeinträchtigte das Anfertigen von Fotos zwar das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Allerdings war diese Beeinträchtigung gerechtfertigt. Das Persönlichkeitsrecht des Klägers tritt gegenüber dem Interesse der Beweissicherung des Arbeitgebers zurück.

Aus dem Urteil: [...] Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst ua. auch das Recht am eigenen Bild. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen, darüber zu entscheiden, ob Fotografien oder Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Dabei ist das Recht am eigenen Bild nicht identisch mit dem Schutz der Privatsphäre (BAG 29.06.2004 - 1 ABR 21/03 - Rn. 15 mwN, NZA 2004, 1278; BVerfG 09.10.2002 - 1 BvR 1611/96 - und - 1 BvR 805/98 - NJW 2002, 3619, zu C II 1 b der Gründe). Es ist deshalb nicht auf bestimmte Örtlichkeiten, wie insbesondere die eigene Wohnung, begrenzt. Auch ist es nicht nur - wie durch § 22 KunstUrhG ausdrücklich geregelt - gegen die unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung geschützt. Vielmehr unterfällt bereits die Herstellung von Abbildungen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (BAG 26.08.2008 - 1 ABR 16/07 - Rn. 15 mwN., NZA 2008, 1187; BGH 25.04.1995 - VI ZR 272/94 - NJW 1995, 1955, zu III 1 der Gründe).

Das durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete, auch im Privatrechtsverkehr und insbesondere im Arbeitsverhältnis zu beachtende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist - auch in seiner Ausprägung als Recht am eigenen Bild - nicht schrankenlos gewährleistet. Eingriffe können durch Wahrnehmung überwiegend schutzwürdiger Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein. Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den Interessen des Arbeitgebers ist durch eine Güterabwägung im Einzelfall zu ermitteln, ob dieses den Vorrang verdient (BAG 21.06.2012 - 2 AZR 153/11 - Rn. 30 mwN, NZA 2012, 1025) [...]

Der Kläger war arbeitsunfähig krankgeschrieben. Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kommt nach der Rechtsprechung ein hoher Beweiswert zu. Sie begründet eine tatsächliche Vermutung für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Diese Vermutung kann der Arbeitgeber durch andere Tatsachen erschüttern. Es stand deshalb im schutzwürdigen Interesse des beklagten Arbeitgebers bzw. des Vorgesetzten des Klägers, die körperlichen Aktivitäten des Klägers an der Waschanlage zu Beweiszwecken zu fotografieren. Denn aus der Sicht des Vorgesetzten bestand der konkrete Verdacht, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht und damit einen Entgeltfortzahlungsbetrug begangen haben könnte.

Rechtsanwalt Franzen empfiehlt, dies zu beachten und bei Fragen zum Arbeitsrecht Rechtsrat in Anspruch zu nehmen, wobei er u. a. auch auf den VDAA Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. - www.vdaa.de - verweist.

Gericht:
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.07.2013 - 10 SaGa 3/13

Klaus-Dieter Franzen, Rechtsanwalt
www.franzen-legal.de

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