Nach Urteil des LAG komme es bei der rechtlichen Unterscheidung zwischen Werk-/Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung vor allem darauf an, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten eingegliedert gewesen sind und vom Dritten arbeitsvertragliche Weisungen erhalten haben.

Der Sachverhalt

Die 1957 bzw. 1960 geborenen Kläger haben mit einem IT-Systemhaus Verträge als freie Mitarbeiter. Dieses IT-Systemhaus ist ein Subunternehmen eines führenden Dienstleisters für Informationstechnologie, der die Kläger im Rahmen eines Werkvertrages mit der  Daimler AG ausschließlich bei der Daimler AG eingesetzt hat.

Beide Kläger arbeiteten aufgrund solcher Verträge von 2001 bis Ende 2011 als IT-Fachkräfte bei der Daimler AG, zuletzt am Standort Stuttgart-Möhringen für den IT-Support in der Abteilung Treasury (Finanzabteilung). Dort betreuten sie die EDV und waren insbesondere für die Funktionsfähigkeit der Computerarbeitsplätze zuständig. Die Kläger sind der Auffassung, dass sie Arbeitnehmer der Daimler AG seien. Sie seien in den Betrieb der Beklagten eingegliedert und deren Weisungen unterworfen gewesen.

Die Beklagte ist der Meinung, dass die Kläger keine Arbeitnehmer der Beklagten seien. Die Kläger hätten keine Weisungen und Arbeitsaufträge von der Beklagten erhalten. Die Beauftragung der Kläger sei vielmehr im Rahmen eines Ticketsystems erfolgt, in dem Beschäftigte der Beklagten EDV-spezifische Aufträge erteilt hätten.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen abgewiesen.Mit ihrer Berufung haben die Kläger weiter die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit der Daimler AG verfolgt.

Das Urteil des Landesarbeitsgericht

Das Landesarbeitsgericht hat mit Urteil das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Klagen entsprochen und die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Das Berufungsgericht ist der Überzeugung, dass der Fremdpersonaleinsatz der Kläger im Wege der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung und nicht im Rahmen eines Werkvertrages erfolgt ist.

Bei der rechtlichen Unterscheidung zwischen Werk-/Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung kommt es vor allem darauf an, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des Dritten (hier: Daimler) eingegliedert gewesen sind und vom Dritten arbeitsvertragliche Weisungen erhalten haben. Wenn dies der Fall ist, ist von Arbeitnehmerüberlassung auszugehen. Dabei kommt es nicht auf die vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmer (hier: IT-Dienstleister) und dem Dritten an, wenn die Vertragsverhältnisse tatsächlich so nicht gelebt worden sind.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist das Berufungsgericht der Auffassung, dass die Kläger, die jahrelang in den Betriebsräumen mit Betriebsmitteln der Beklagten für diese tätig gewesen sind, bei der Daimler AG eingegliedert waren. Sie haben auch von der Beklagten viele arbeitsvertragliche Weisungen erhalten. Das zwischen dem vermeintlichen Werkunternehmen und Daimler vereinbarte Ticketsystem (IT-Aufträge von Daimler-Arbeitnehmern werden nach Eröffnung eines Tickets vom Werkunternehmer bearbeitet) ist in vielen Fällen so nicht gelebt worden.

Vielmehr sind die Kläger von vielen Daimler-Mitarbeitern aus der Abteilung Treasury direkt beauftragt worden. Dabei handelt es sich nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis. Nach einer wertenden Gesamtbetrachtung ist deshalb von einem Scheinwerkvertrag auszugehen.

Aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG ist zwischen den Klägern und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen.

Gericht:
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 01.08.2013 - 2 Sa 6/13

Quelle: LAG Ba-Wü
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