Vor dem Landesarbeitsgericht München wurde die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung eines schwerbehinderten Buchhalters verhandelt. Anlass zur Kündigung waren vorsätzliche Falschbuchungen zu Lasten des Arbeitgebers.

Ein Beitrag von Himmelsbach & Sauer Partnerschaft

Einem schwerbehinderten Arbeitnehmer wurde nach Verlust seiner elektronischen Zugangskarte zu den Betriebsräumen eine neue Karte ausgestellt. Diese stellte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer in Rechnung. Die Kosten der Ersatzkarte beliefen sich auf 20€. Daraufhin nahm der Arbeitnehmer eine Buchung vor. Er splittete den Betrag in zwei Buchungen in Höhe von 10€ und führte die Umbuchung unter falscher Kennzeichnung durch. Statt einer Ausbuchung erfolgte eine Umbuchung zu Lasten des Betriebsratsbudgets. So umging der Arbeitnehmer einer Zahlung der Karte. Als die Arbeitgeberin von dem Vorfall erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit Zustimmung des Betriebsrats und des Integrationsamts.

Die Argumente der Arbeitgeberin

Begründet wurde die außerordentliche Kündigung seitens der Arbeitgeberin damit, dass der Arbeitnehmer die Ausbuchung ohne Zustimmung des Personalleiters und außerhalb seines delegierten Arbeitsfeldes durchgeführt habe. Durch die Splittung des Gesamtbetrages hätte der Arbeitnehmer bewusst die falsche Buchung zu seinen Gunsten verschleiern wollen. Die Art und Weise der Buchung sei so verschlüsselt gewesen, dass es für den Arbeitgeber schlicht so gut wie unmöglich gewesen sei, die falsche Buchung nachzuvollziehen. Der Arbeitnehmer habe durch sein straftätliches Verhalten die Vertrauensbeziehung so massiv zerstört, dass die außerordentliche Kündigung das mildeste und einzige Mittel der Arbeitgeberin gewesen sei. Die bloße Schutzbehauptung des Arbeitnehmers, die Aufteilung des Gesamtbetrages in Teilbeträge sei aufgrund eines Schreibfehlers erfolgt, könne nicht greifen. Für dieses Fall sehe das Betriebssystem eine Stornierung vor, was der Arbeitnehmer auch wusste. Der Arbeitnehmer habe schlicht und ergreifend die 20€ für die neue Zugangskarte nicht zahlen wollen.

Die Argumente des Arbeitnehmers

Der Arbeitnehmer hält hingegen die Kündigung für unwirksam. Der Betriebsrat sei nicht hinreichend über die außerordentliche Kündigung informiert worden. Ferner hätten sämtliche Buchungsvorgänge zu seinem Betätigungsfeld im Betrieb der Arbeitgeberin gehört. Es sei weder sein Ziel gewesen die Kosten für die Zugangskarte nicht zu bezahlen, noch den Buchungsvorgang verschleiern zu wollen. Die Buchung auf die Kostenstelle „Betriebsrat“ sei besonders nachvollziehbar und für die Arbeitgeberin klar ersichtlich gewesen. Ferner sei die Interessenabwägung nicht verhältnismäßig gewesen. Sein langjähriges Arbeitsverhältnis, sein hohes Alter und sein kurz bevorstehender altersbedingter Ruhestand sei von so schweren Gewicht, dass eine Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausfiele.

Die Entscheidung

Das LAG wies die Klage des Arbeitnehmers ab und erklärte die außerordentliche Kündigung für wirksam. Die falschen Buchungsvorgänge des Arbeitnehmers seien grobe Pflichtverletzungen, die der Arbeitgeberin eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machten.

Der Arbeitnehmer habe wissentlichen und willentlich den Gesamtbetrag in zwei Teilbeträge von je 10€ aufgeteilt, um die Arbeitgeberin zu täuschen. Bei ihr sollte der Eindruck erweckt werden, dass der Arbeitnehmer bezahlt habe. Der Arbeitnehmer habe von der Stornierungsmöglichkeit des Betriebssystems gewusst, dies aber aufgrund seiner Absicht, den ganzen Vorgang verschleiern zu wollen, nicht benutzt. Entgegen der Aussage des Arbeitnehmers habe dieser auch nie eine tatsächliche Absicht gehabt, die Kosten zu begleichen. Dies habe er in zweierlei Hinsicht zum Ausdruck gebracht. Zum einen habe er dies gegenüber einer Kollegin erwähnt. Zudem habe er durch seine Nichtzahlung über mehrere Monate konkludent zum Ausdruck gebracht, nie zahlen zu wollen.

Auch eine Interessenabwägung führe zu der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung. Zwar führe der Arbeitnehmer gewichtige Interessen an. Allerdings habe er seine übertragenen Kompetenzen ausnutzen wollen, um die Buchungsvorgänge zu verschleiern. Das lange tadellose Arbeitsverhalten in der Vergangenheit könne hier nicht zu einer Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung führen, wie etwa im Fall "Emmely" (BAG - 2 AZR 541/09). Im Unterschied zu diesem Fall habe der Arbeitnehmer von Anfang an versucht, seine Pflichtverletzung zu verheimlichen. Im Übrigen war die außerordentliche Kündigung rechtmäßig. Dem Arbeitnehmer wurde seitens der Arbeitgeberin wirksam außerordentlich gekündigt worden.

Quelle: Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 03.03.2011 - 3 Sa 641/10
Vorinstanz: Urteil des Arbeitsgerichts München vom 28.05.2010 - 31 Ca 18907/09

Die obige Entscheidung gibt Anlass, darauf hinzuweisen, dass die richtige rechtliche Bewertung von Kündigungen im konkreten Fall erhebliche Schwierigkeiten und auch Risiken birgt. Die zeigt sich letztlich auch darin, dass genau über die schwierigen Einzelfragen täglich vor deutschen Arbeitsgerichten gestritten wird. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten sich daher bei gegebenem Anlass von einem auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in arbeitsrechtlichen Fragen beraten und vertreten lassen.

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